Die Worldwide Lawyers Association (WOLAS) und die türkische Menschenrechtsorganisation Mazlumder haben am Montag bei einem türkischen Gericht eine Strafanzeige eingereicht, um die Einfahrt eines Frachtschiffs mit F-35-Komponenten in den Hafen von Mersin zu verhindern. Sie berufen sich dabei auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Türkei im Rahmen der UN-Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948.
Das unter hongkonger Flagge fahrende Schiff Nexoe Maersk der dänischen Maersk Line wird am 1. Mai um 14:00 Uhr Ortszeit in Mersin erwartet. Laut Schiffsverfolgungsdaten lief es bereits den israelischen Hafen Haifa an – ursprünglich war ein erster Halt in Mersin vorgesehen. Aktivisten vermuten, dass öffentlicher Druck zur Routenänderung führte, warnen jedoch, dass das Anlaufen von Mersin weiterhin geplant ist.
Die Fracht besteht aus Komponenten für den US-Kampfjet F-35, produziert im US-Luftwaffenwerk Plant 4 in Fort Worth, Texas, betrieben von Lockheed Martin. Nach Recherchen von Declassified UKsollen die Teile direkt zur Nevatim Air Base in Israel geliefert werden – Heimatbasis der F-35-Flotte, die bei Einsätzen in Gaza verwendet wird.
WOLAS und Mazlumder sehen in diesem Transport eine klare Verletzung des Völkermord-Übereinkommens, insbesondere im Licht des IGH-Urteils vom Januar 2024, das Israels Vorgehen in Gaza als „plausible Gefahr eines Völkermordes“ einstufte.
„Die sofortige Beschlagnahmung dieser F-35-Komponenten, die als Tatwerkzeuge eines Völkermordes gelten, ist zwingend notwendig“, erklärten die Gruppen. Sie fordern ein Anlaufverbot für die Nexoe Maersk sowie die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen gemäß nationalem und internationalem Recht.
Die Aktion ist Teil der internationalen Protestkampagne “Mask Off Maersk”, die seit 2024 militärische Lieferungen von Lockheed Martin an Israel dokumentiert. Obwohl Maersk eine direkte militärische Beteiligung abstreitet und auf privatwirtschaftliche Verträge verweist, bewerten die Aktivisten diese Erklärungen als unzureichend.
In der Türkei und weltweit wächst der Protest: Am 18. April demonstrierten Aktivisten in Istanbul vor der Hafenbehörde Karaköy. Auch in Marokko, Frankreich, Spanien und den USA gab es Aktionen gegen Maersk-Schiffe. Gewerkschaften und Solidaritätsgruppen fordern ein ziviles Waffenembargogegen Israel.
Zugleich richtet sich die Kritik zunehmend gegen die türkische Regierung selbst. Trotz eines 2024 verkündeten Erdölembargos gegen Israel sollen laut der Kampagne “Stop Fueling Genocide”weiterhin Lieferungen über die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline nach Israel erfolgt sein – mindestens zehn Tankerladungen nach Ashkelon.
Oppositionelle werfen Präsident Recep Tayyip Erdoğan Doppelmoral vor: Während Ankara sich öffentlich pro-palästinensisch gibt, sollen wirtschaftliche Beziehungen zu Israel weiterhin bestehen. Neun Demonstranten, die im Dezember 2024 bei einem Erdoğan-Auftritt auf mutmaßliche Öltransporte hinwiesen, wurden kurzzeitig festgenommen.
„Kampfjets überqueren täglich den Himmel Palästinas. Sie sind das Fundament eines laufenden Völkermordes“, erklärte das Palestinian Youth Movement und rief erneut zu zivilem Widerstand gegen militärische Lieferungen auf.
Laut dem Gesundheitsministerium in Gaza wurden seit Beginn der israelischen Offensive am 7. Oktober 2023 über 52.314 Palästinenser getötet. Die Offensive folgte einem Hamas-Angriff, bei dem 1.206 Menschen in Israel starben und rund 250 Geiseln genommen wurden.
Amnesty International stufte Israels Vorgehen in einem Bericht vom 5. Dezember 2024 eindeutig als Völkermord ein und warf der internationalen Gemeinschaft Untätigkeit vor.
WOLAS und Mazlumder betonen, dass die Türkei nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch verpflichtet sei, jede Form der Unterstützung für Israels Militäreinsätze zu unterbinden. Weitere Protestaktionen im Hafen von Mersin sind bereits angekündigt. Gewerkschaften fordern Hafenarbeiter auf, militärische Fracht für Israel nicht zu entladen.
No comments