Amnesty International fordert Aufhebung des Demonstrationsverbots am 1. Mai auf dem Taksim-Platz

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Amnesty International hat die türkische Regierung aufgefordert, das seit Jahren bestehende Verbot von Mai-Demonstrationen auf dem Taksim-Platz in Istanbul unverzüglich aufzuheben. Die Menschenrechtsorganisation reagierte damit auf die Festnahme von rund 100 Personen, die angeblich am Internationalen Tag der Arbeit dort protestieren wollten.

„Die Einschränkungen der 1.-Mai-Feierlichkeiten auf dem Taksim-Platz basieren auf völlig unbegründeten Sicherheits- und Ordnungsargumenten und müssen dringend aufgehoben werden“, erklärte Dinushika Dissanayake, stellvertretende Regionaldirektorin von Amnesty für Europa, am Mittwoch.

Seit den regierungskritischen Gezi-Protesten im Jahr 2013, die gewaltsam niedergeschlagen wurden und acht Menschen das Leben kosteten, hat die türkische Regierung den symbolträchtigen Platz für nahezu alle öffentlichen Kundgebungen gesperrt. Ob am Tag der Arbeit, dem Internationalen Frauentag oder bei Pride-Märschen – Versammlungen sind dort seither verboten.

Allein seit Montag wurden laut Medienberichten über 100 Menschen in Istanbul in präventiven Polizeiaktionen festgenommen. Der Istanbuler Oberstaatsanwalt hatte zuvor Haftbefehle gegen 108 Personen erlassen. Auch am Mittwoch setzte die Polizei die Razzien fort und nahm weitere 20 Personen fest, wie Turgut Delioğlu, Vorsitzender der Gewerkschaft DISK, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Die Gewerkschaften planen dennoch eine alternative Kundgebung – am Donnerstag im Stadtteil Kadıköy auf der asiatischen Seite Istanbuls, wo die Polizei bislang nicht eingeschritten ist.

Der Taksim-Platz selbst wurde bereits vor Wochen weiträumig abgeriegelt, insbesondere nach der umstrittenen Festnahme und anschließenden Inhaftierung des oppositionellen Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu, einem der prominentesten politischen Gegner von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Die Maßnahme löste die größten regierungskritischen Proteste seit den Gezi-Unruhen aus.

Istanbuls Gouverneur Davut Gül hatte bereits Mitte April klargemacht, dass jegliche Versuche, das Demonstrationsverbot auf dem Taksim-Platz zu umgehen, strafrechtlich verfolgt würden. „Seit Jahren sind dort aus Sicherheitsgründen keine Versammlungen erlaubt. Wer weiterhin dazu aufruft, provoziert absichtlich“, schrieb Gül auf der Plattform X (ehemals Twitter).

Amnesty verweist jedoch auf ein Urteil des türkischen Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2023, das das Verbot als verfassungswidrig einstufte und das Recht der Gewerkschaften auf Versammlungsfreiheit bestätigte.

Die Auseinandersetzungen um den Taksim-Platz bleiben damit ein symbolischer Kampf um Grundrechte und politische Freiräume in der Türkei.

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