Am 6. Mai 2025 eröffnete das Haus am Dom in Kooperation mit der International Journalists Association (IJA) die neue Veranstaltungsreihe „Frankfurter Gespräche“ zum Welttag der Pressefreiheit. Die erste Veranstaltung der Reihe, betitelt „Sichtbar verstummt“, behandelte die zunehmend drängende Frage: Wie bleibt Journalismus in einer Welt bestehen, in der die Pressefreiheit durch politische Repression, digitale Zensur und die Notwendigkeit des Exils unter immer größerem Druck steht?
Eröffnung durch Prof. Dr. Joachim Valentin
Prof. Dr. Joachim Valentin, Direktor des Hauses am Dom, unterstrich in seinem Grußwort, die essenzielle Rolle der Medien in der Demokratie und verwies auf die verheerenden Folgen der Erosion der Pressefreiheit, die, wie er sagte, das Ende jeder Demokratie bedeuten könnte. Er zitierte Niklas Luhmann: „Alles, was wir wissen, wissen wir aus den Massenmedien.“ Er brachte die zentrale Botschaft der Veranstaltung auf den Punkt: „Es ist unser Ziel, dass es weltweit immer weniger Exiljournalistinnen und Exiljournalisten geben muss und immer weniger Journalisten, die um ihr Leben und die Gesundheit ihrer Familien fürchten müssen.“
Die künstlerische Initiative „Wahrheitskämpfer“
Zu den interessanten Einblicken des Abends gehörte die Vorstellung der künstlerischen Initiative „Wahrheitskämpfer“, die von Susanne Köhler und Gerhard Keller ins Leben gerufen wurde. Diese Sammlung von über 800 Portraits ermordeter und inhaftierter Journalisten aus aller Welt ist mehr als eine Wanderausstellung. Sie ist ein bewegendes Mahnmal, das den unermüdlichen Einsatz von Journalisten für die Wahrheit würdigt und gleichzeitig den Verfolgten eine visuelle Präsenz verleiht. Köhler und Keller beschrieben ihre Arbeit als einen Versuch, über den bloßen Akt der Erinnerung hinauszugehen – ihre Portraits sollen einen Raum der Solidarität schaffen und den Appell verstärken, für die Pressefreiheit einzutreten. Sie erklärten, dass die künstlerische Initiative nicht nur ein visueller Akt ist, sondern eine dringende Einladung zur Unterstützung.
Fatma Zibak: Exil als Widerstand
Fatma Zibak, Chefredakteurin von Turkish Minute (www.turkishminute.com) , gab einen bewegenden Einblick in ihre Erfahrungen als Exiljournalistin. Zibak, die einst für Today’s Zaman arbeitete, schilderte den dramatischen Wandel in der Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch 2016 und der nachfolgenden Verfolgung von Journalisten. Sie erzählte, wie ihre Zeitung unter dem Vorwand des „Terrorismus“ geschlossen wurde und wie sie gezwungen war, ins Exil zu fliehen. Mit Turkish Minute, einer Plattform, die kritische Berichterstattung über die Türkei bietet, setzt Zibak ihre Arbeit fort und gibt jenen eine Stimme, die vom Regime zum Schweigen gebracht werden. Für Zibak bedeutet Exil mehr als nur einen sicheren Ort – es ist eine Bühne, um der Welt die Geschichten der Verfolgten und unterdrückten Journalisten zu erzählen. Ihre Arbeit im Exil ist ein Akt der Verantwortung und der Hoffnung, dass sich in der Türkei eines Tages etwas ändern wird.
Bedrettin Uğur: Dokumentation der Wahrheit
Bedrettin Uğur, Dokumentarfilmer und Journalist, sprach über die verstärkten Repressionen gegen Journalisten in der Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch. Uğur, der selbst 2017 ins Exil floh, erklärte, dass seine Arbeit als Dokumentarfilmer mehr sei als das Aufzeichnen von Geschichten – sie sei ein Versuch, eine kollektive Erinnerung zu bewahren und eine Alternative zu den von autoritären Regimen kontrollierten Erzählungen zu schaffen. Uğur sprach von den psychischen und emotionalen Belastungen, die mit der Arbeit im Exil einhergehen, und der Notwendigkeit, Vertrauen aufzubauen, um die Geschichten von Verfolgten zu erzählen. Er betonte, dass Exiljournalismus nicht nur ein Archiv der Vergangenheit sei, sondern ein lebendiger, aktiver Teil des Widerstands gegen die politische Verfolgung.
Yasemin Aydın: Die digitale Dimension der Zensur
Yasemin Aydın von der International Journalists Association (IJA) widmete sich der digitalen Zensur und der Rolle von Non-Profit-Medien in einer zunehmend kommerzialisierten Medienlandschaft. Sie erklärte, wie digitale Plattformen heute eine der größten Bedrohungen für die Pressefreiheit darstellen – nicht durch direkte staatliche Eingriffe, sondern durch unsichtbare algorithmische Zensur, die die Sichtbarkeit von unabhängigen Stimmen und Inhalten beeinflusst. Aydın betonte die Bedeutung von Exiljournalisten, die trotz der digitalen Repression weiterhin wichtige Perspektiven bieten und meist die einzige objektive Nachrichtenquelle für die Bevölkerung in undemokratischen Staaten sind.. Sie hob hervor, wie die IJA dazu beiträgt, die Arbeit von Exiljournalisten zu unterstützen und die Erfahrung der Exiljournalist:innen mit jungen Journalist:innen zusammenbringt, um sie zu fördern. Aydin betonte, dass es essenziell ist die Medienvielfalt und die Unabhängigkeit des Journalismus zu erhalten und stellte das neue Stipendium der IJA vor: Das IJA FELLOWSHIP, das nicht privilegierte junge Journalist:innen mit renommierten Medienhäusern zusammenbringt und ihnen dabei hilft, die Barrieren zu überwinden.
Ausblick
Die Diskussion verdeutlichte, dass der Schutz von Journalisten und die Sicherstellung einer freien, vielfältigen Medienlandschaft heute mehr denn je eine kollektive Verantwortung darstellen. Die Veranstaltung appellierte an die internationale Gemeinschaft, sich stärker für den Schutz von Exiljournalisten und gegen die zunehmende digitale Zensur einzusetzen. Die „Wahrheitskämpfer“-Initiative wurde als ein eindrucksvolles Beispiel dafür hervorgehoben, wie Kunst und Journalismus miteinander verschmelzen können, um die Bedeutung der Pressefreiheit zu bewahren und aktiv zu unterstützen.
„Sichtbar verstummt“ markierte den Auftakt zu den „Frankfurter Gesprächen“, einer Reihe, die sich weiterhin mit den drängenden gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen wird.
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