Ein türkisches Gericht hat am Donnerstag entschieden, den prominenten Journalisten Fatih Altaylı auch mehr als 100 Tage nach seiner Festnahme in Haft zu behalten. Altaylı war im Juni wegen des Vorwurfs verhaftet worden, Präsident Recep Tayyip Erdoğan bedroht zu haben.
Vor Gericht erklärte der 40 Jahre im Beruf tätige Journalist: „In meiner gesamten Laufbahn habe ich niemals jemanden bedroht. Meine Inhaftierung hat einzig mit meiner Sorge um die Zukunft der Türkei zu tun.“
Das Gericht verwies den Fall nun an die Staatsanwaltschaft, die ein Schlussplädoyer vorbereiten soll. Die nächste Verhandlung ist für den 26. November angesetzt. Im Falle einer Verurteilung drohen Altaylı mindestens fünf Jahre Gefängnis.
Kritik aus der Opposition
Die Entscheidung stieß auf scharfe Kritik. Ali Mahir Başarır, Fraktionsvize der oppositionellen CHP, sprach von einer „Fortsetzung der Rechtslosigkeit“. Er verwies darauf, dass ein Mann, der den CHP-Vorsitzenden Özgür Özel körperlich angegriffen hatte, schnell wieder freikam, während Altaylı weiter inhaftiert bleibt. „Ist das euer Rechtsstaat? Ist das eure Vorstellung von Gerechtigkeit?“, schrieb Başarır auf X.
Altaylıs Ehefrau, Abgeordnete, Wissenschaftler und zahlreiche Journalisten verfolgten die Verhandlung am Istanbuler Justizpalast.
Hintergrund der Vorwürfe
Altaylı war am 21. Juni festgenommen worden, einen Tag nachdem er in einer Sendung auf eine Umfrage eingegangen war, laut der 70 Prozent der Türken gegen eine unbegrenzte Amtszeit Erdoğans seien. Unter Bezug auf die osmanische Geschichte sagte er, das Volk habe Sultane, die es nicht mehr akzeptierte, entmachtet oder hingerichtet. Die Staatsanwaltschaft wertete dies als Drohung und erhob Anklage wegen „Bedrohung des Präsidenten“ nach Artikel 299 des Strafgesetzbuchs.
Im August leitete die Staatsanwaltschaft zudem ein zweites Verfahren gegen den Journalisten ein: Wegen „Verbreitung irreführender Informationen“ in einer YouTube-Sendung drohen ihm weitere bis zu drei Jahre Haft. Sein populärer Kanal mit 1,65 Millionen Abonnenten wurde inzwischen blockiert. Trotz der Sperrung sendet er weiter – häufig mit einem leeren Stuhl an Altaylıs Platz, flankiert von Gastauftritten oppositioneller Politiker und Kollegen.
Pressefreiheit unter Druck
Der Fall verdeutlicht den weiteren Verfall der Medienfreiheit in der Türkei. Laut Reporter ohne Grenzen liegt das Land im aktuellen Weltindex zur Pressefreiheit auf Rang 159 von 180. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass Vorwürfe wie „Präsidentenbeleidigung“ oder „Verbreitung irreführender Informationen“ systematisch genutzt würden, um kritische Stimmen mundtot zu machen.
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