Britischer Anwalt reicht neue Beschwerde für inhaftierten Journalisten Ali Ünal beim EGMR ein

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Ein britischer Menschenrechtsanwalt hat eine umfassende Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Fall des seit 2016 inhaftierten türkischen Journalisten Ali Ünal eingereicht. Der heute 70-Jährige verbüßt eine Haftstrafe von 19,5 Jahren wegen angeblicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung, die von der türkischen Regierung als terroristisch eingestuft wird.

Die neue Beschwerde wurde von Ben Keith, Mitgründer der Organisation International Human Rights Advisors, kurz vor dem Internationalen Tag der Pressefreiheit (3. Mai) eingereicht. Keith wirft der türkischen Justiz gravierende Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention vor – darunter das Recht auf ein faires Verfahren, das Verbot willkürlicher Inhaftierung sowie das Rückwirkungsverbot bei Strafgesetzen.

Ünal war langjähriger Kolumnist der inzwischen geschlossenen regierungskritischen Zeitung Zaman. Nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 wurde er festgenommen und zwei Jahre später vom Strafgericht im westtürkischen Uşak wegen „Leitung einer terroristischen Organisation“ verurteilt – eine Anklage, die sich maßgeblich auf seine journalistischen Tätigkeiten und frühere Reden stützte. Eine direkte Beteiligung am Putsch wurde ihm nicht nachgewiesen.

Die neue Eingabe beim EGMR kritisiert unter anderem, dass Ünal bei seiner Festnahme nicht ordnungsgemäß über die Vorwürfe informiert worden sei, ohne anwaltlichen Beistand verhört wurde und bei seiner Verhandlung keine Möglichkeit zur wirksamen Verteidigung gehabt habe. Das Verfahren sei vor einem Gericht geführt worden, das nicht unabhängig gewesen sei.

Darüber hinaus argumentieren seine Anwälte, dass die Verurteilung auf journalistischen Äußerungen basiere, die vor der offiziellen Terror-Einstufung der Gülen-Bewegung im Mai 2016 getätigt wurden – also zu einem Zeitpunkt, zu dem sie rechtlich nicht strafbar gewesen seien.

„Wir sind äußerst besorgt über die eklatanten Verstöße gegen Herrn Ünals Rechte“, sagte Keith in einem schriftlichen Statement. „Sein Fall steht exemplarisch für den Zusammenbruch rechtsstaatlicher Standards in der Türkei.“

Bereits im Jahr 2023 hatte die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen das Verfahren gegen Ünal als politisch motiviert und rechtswidrig eingestuft. Auch internationale Beobachter und Menschenrechtsorganisationen äußern seit Jahren scharfe Kritik an der Massenverfolgung von Journalistinnen und Journalisten in der Türkei. Besonders im Fokus stehen dabei ehemalige Mitarbeiter der Zaman, einst die auflagenstärkste Zeitung des Landes, die kurz vor dem Putschversuch unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt und schließlich geschlossen wurde.

Ali Ünal, der auch als Autor und Übersetzer tätig ist, hat mehr als 90 Bücher veröffentlicht. Seine ursprüngliche Beschwerde beim EGMR wurde bereits im Januar 2023 eingereicht, die aktuelle Eingabe soll nun als dringlich eingestuft werden.

Die Lage der Pressefreiheit in der Türkei bleibt angespannt: Im aktuellen Ranking der Organisation Reporter ohne Grenzen fiel das Land auf Platz 159 von 180 – ein weiterer Rückschritt im Vergleich zum Vorjahr.

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