Das Erdbeben der Stärke 6,2 am Mittwoch in Istanbul hat die Debatte um fehlende und unzureichende Sammelplätze erneut entfacht. Während über 200 Nachbeben die Region erschütterten, suchten Tausende Menschen in Panik nach einem sicheren Zufluchtsort – oft vergeblich. Statt großzügiger, gut erreichbarer Sammelplätze blieben nur kleine Parks, Schulhöfe oder Straßenränder, an denen die Menschen dicht gedrängt ausharrten. Viele der früheren Notfallflächen wurden in den letzten zwei Jahrzehnten für den Bau von Einkaufszentren, Wohnanlagen oder Geschäftsbauten freigegeben.
Besonders hart trifft der Mangel an Schutzräumen die einkommensschwächere Bevölkerung. In dicht besiedelten Stadtteilen wurden winzige Flächen wie Moscheehöfe zu offiziellen Sammelpunkten erklärt. Gleichzeitig zeigten Schäden an öffentlichen Gebäuden wie Krankenhäusern und die unzureichende Unterbringung von Studierenden nach dem Beben, wie schlecht Istanbul auf ein größeres Erdbeben vorbereitet ist.
Dreiviertel der Sammelplätze wurden zur Bebauung freigegeben
In einem Bericht der Union Türkischer Ingenieur- und Architektenkammern (TMMOB) und der ihr angeschlossenen Kammer der Bauingenieure wurde festgestellt, dass drei Viertel der im Jahr 2002 in Istanbul ausgewiesenen 496 Sammelplätze zur Bebauung freigegeben und mit Wohnanlagen, Geschäftszentren und Einkaufszentren bebaut wurden. Laut dem Bericht gibt es derzeit in Istanbul nur noch 77 Sammelplätze, die die notwendigen Kriterien erfüllen.
Laut einem Bericht des Istanbuler Planungsamts (İPA) vom vergangenen Jahr entspricht die Fläche der insgesamt 95 Einkaufszentren in Istanbul einer Größe, die mehr als 42.000 Menschen aufnehmen könnte.
Was ist ein Sammelplatz im Katastrophenfall?
Sammelplätze sind unter Berücksichtigung des Erdbebenrisikos geplante Flächen, die bestimmten Kriterien entsprechen müssen. Der internationale Standard sieht vor, dass pro Person 1,5 Quadratmeter Fläche bereitgestellt werden. Bei der Einrichtung von Sammelplätzen muss anhand der geschätzten Anzahl von Personen, die nach einem Erdbeben einen solchen Platz erreichen werden, berechnet werden, wie viele Personen für ein bestimmtes Gebiet berücksichtigt werden müssen. In Istanbul jedoch gibt es insbesondere in dicht besiedelten Gebieten Sammelplätze, die weit unter dem Standard von 1,5 Quadratmetern pro Person liegen.
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