Mit einer Großrazzia und einem Vereinsverbot haben die deutschen Sicherheitsbehörden am Dienstag gegen die Reichsbürgerorganisation „Königreich Deutschland“ durchgegriffen. Das Bundesinnenministerium erklärte die Gruppierung für verboten, da sie gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoße. Laut der Nachrichtenagentur AFP ließ die Bundesanwaltschaft den selbsternannten „König“ Peter Fitzek sowie drei weitere mutmaßliche Rädelsführer festnehmen. Bundesweit waren mehr als 800 Einsatzkräfte im Einsatz, um Objekte in sieben Bundesländern zu durchsuchen.
Größte Reichsbürgergruppe Deutschlands
Die Organisation, die 2012 von Fitzek und Gleichgesinnten gegründet wurde, wird vom Bundesinnenministerium als die größte Reichsbürgervereinigung im Land eingeschätzt. Sie selbst reklamiert etwa 6.000 Anhänger. Der Verein erkennt die Bundesrepublik Deutschland nicht als legitimen Staat an und hat eigene, pseudostaatliche Strukturen etabliert.
Nach Angaben des Innenministeriums bettet die Organisation ihre Aktivitäten in verschwörungstheoretische und antisemitisch konnotierte Narrative ein. Sie erhebt Anspruch auf ein Abspaltungsrecht, das auch Grenzverschiebungen zulasten benachbarter Staaten einschließt. Darüber hinaus agiert die Gruppe ausdrücklich gewinnorientiert und betreibt unerlaubte Bank- und Versicherungsgeschäfte zur Finanzierung ihrer Aktivitäten.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) erklärte, die Organisation habe in Deutschland einen „Gegenstaat“ errichtet und wirtschaftskriminelle Strukturen aufgebaut. Damit untergrabe sie systematisch die Rechtsordnung und das Gewaltmonopol des Staates.
Durchsuchungen in sieben Bundesländern
Die Durchsuchungen fanden nach Angaben des Ministeriums in Niedersachsen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen statt. Ziel der Maßnahmen waren drei vereinseigene Grundstücke sowie weitere Wohnungen. Die Einsatzkräfte beschlagnahmten zahlreiche Beweismittel sowie Vermögenswerte des Vereins, darunter Bargeld und Fahrzeuge. Vom Verbot betroffen sind auch diverse Teilorganisationen der Gruppe.
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat das Verfahren gegen die mutmaßliche Führungsebene der Gruppierung wegen der besonderen Bedeutung übernommen. Den Beschuldigten wird die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie die Durchführung unerlaubter Bank- und Versicherungsgeschäfte vorgeworfen. Die Festnahmen erfolgten in Rheinland-Pfalz, Sachsen und Brandenburg. Gegen zwei der Beschuldigten setzte der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof Haftbefehle in Vollzug. Am Dienstagabend wurde auch Fitzek in Haft genommen, die Vorführung eines vierten Verdächtigen war für Mittwoch vorgesehen.
Pseudostaatliche Institutionen und wirtschaftliche Versprechen
Laut Bundesanwaltschaft wirbt die Organisation für den Austritt aus der Bundesrepublik und den Anschluss an das selbsternannte „Königreich“. Sie hat eigene staatliche Strukturen simuliert, darunter die Ausgabe einer eigenen Währung sowie die Einrichtung eines Meldeamts für fiktive Ausweisdokumente. Finanziert wurde die Gruppierung vor allem über illegale Finanzgeschäfte, Spenden und das Anwerben von Unternehmen, denen steuer- und abgabenfreies Wirtschaften in Aussicht gestellt wurde.
Die Organisation betrachtet sich nach eigener Darstellung als souveräner Staat im Sinne des Völkerrechts und strebt an, ihr behauptetes Staatsgebiet auf die Grenzen des Deutschen Reichs von 1871 auszudehnen. Fitzek, der die Gruppe vor beinahe 13 Jahren im sachsen-anhaltischen Wittenberg ins Leben rief, hat bereits mehrfach vor Gericht gestanden und war unter anderem wegen illegaler Versicherungstätigkeiten inhaftiert. Er wirbt bei Anhängern unter anderem mit einem angeblich zinsfreien Geldsystem und gründete fiktive Institutionen wie die „Königliche Reichsbank“ und die „Deutsche Heilfürsorge“.
Innenministerium: Etwa tausend aktive Anhänger
Nach Angaben von Innenminister Dobrindt zählt die Gruppierung nach Erkenntnissen der Behörden rund 1.000 aktive Unterstützer – deutlich weniger als von ihr selbst angegeben. Der Einsatz am Dienstag wurde mit mehr als 800 Beamten durchgeführt. Waffen seien dabei in keinem relevanten Umfang entdeckt worden. Dies sei auch nicht erwartet worden, da die Organisation primär im Bereich der Wirtschaftskriminalität tätig sei und nicht als besonders waffenaffin gelte.
Verbot aus verfassungsrechtlichen Gründen
Nach geltendem Recht können Innenministerien von Bund und Ländern Vereine verbieten, wenn diese kriminellen Zwecken dienen oder gegen die Verfassung oder den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen. Nach einem solchen Verbot ist jede weitere Tätigkeit untersagt, auch die Gründung von Ersatzorganisationen.
Die Reichsbürgerszene setzt sich aus unterschiedlichen Gruppen und Einzelpersonen zusammen, die allesamt die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland infrage stellen. Es bestehen Überschneidungen mit rechtsextremen Milieus und Verschwörungsideologen. Teile der Szene gelten als gewaltbereit – in der Vergangenheit kam es zu tödlichen Angriffen auf Polizeibeamte und vereitelten Umsturzplänen.
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