Mit einer würdevollen Zeremonie auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee haben Vertreter aus Politik und Gesellschaft Abschied von der kürzlich verstorbenen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer genommen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sowie Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) zählten zu den Trauergästen, die am Donnerstag der Verstorbenen die letzte Ehre erwiesen. Die Beisetzung Friedländers fand nach der Trauerfeier statt, berichtet die Nachrichtenagentur AFP.
Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, würdigte in seiner Ansprache das Lebenswerk Friedländers. Aus dem Leid der Vergangenheit sei eine Persönlichkeit hervorgegangen, „die nicht hassen wollte, sondern erinnern“, sagte Joffe. Friedländer habe für menschliche Wärme, Empathie und Nähe gestanden – Eigenschaften, die sie zum Inbegriff des Menschlichen machten. Die Präsenz führender Repräsentanten des Staates bei der Zeremonie bezeichnete Joffe als „ein starkes, würdiges Zeichen“.
Auch ehemalige Spitzenpolitiker wie Altbundespräsident Joachim Gauck, Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) und Altkanzler Olaf Scholz (SPD) waren unter den Anwesenden. Der israelische Botschafter Ron Prosor und Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, sowie zahlreiche Kulturschaffende nahmen an der Zeremonie teil.
Jonah Sievers, Gemeinderabbiner der Synagoge Pestalozzistraße, beschrieb Friedländer als einen „moralischen Kompass“. Sie sei weit mehr gewesen als nur eine Zeitzeugin; vielmehr habe sie als „lebendige Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart“ gewirkt. Ihre Wirkung reiche über den Tod hinaus, so Sievers.
Friedländer war am vergangenen Freitag im Alter von 103 Jahren in Berlin verstorben. Die gebürtige Berlinerin zählt zu den öffentlich aktivsten Zeitzeuginnen der NS-Judenverfolgung. Während der nationalsozialistischen Verfolgung lebte sie zeitweise im Untergrund, wurde schließlich verraten und nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte das Konzentrationslager, ihre Familie jedoch fiel dem Holocaust zum Opfer.
Nach dem Krieg emigrierte sie mit ihrem Ehemann, den sie im Lager kennengelernt hatte, in die Vereinigten Staaten. Erst Jahrzehnte später setzte sie sich intensiv mit ihrer Vergangenheit auseinander – ein Prozess, den sie selbst als ihr „viertes Leben“ beschrieb. Ihre Autobiografie “Versuche, dein Leben zu machen” fand breite Beachtung.
Im Jahr 2010, im Alter von 88 Jahren, kehrte Friedländer dauerhaft nach Berlin zurück. Ein Jahr später wurde ihr das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. 2018 ernannte die Hauptstadt sie zur Ehrenbürgerin.
Bis ins hohe Alter engagierte sich Friedländer unermüdlich gegen das Vergessen. In Schulen wie auch bei öffentlichen Veranstaltungen trat sie als mahnende Stimme auf. Angesichts zunehmender antisemitischer Tendenzen äußerte sie 2023 ihre tiefe Enttäuschung: „Ich bin nicht überrascht. Nur enttäuscht und traurig.“ Im selben Jahr gründete sie die Margot Friedländer Stiftung, um ihr Vermächtnis dauerhaft zu bewahren.
Das Land Berlin ordnete anlässlich ihrer Beisetzung Trauerbeflaggung an öffentlichen Gebäuden an. Im Roten Rathaus wurde ein Kondolenzbuch ausgelegt. Der Bundestag gedachte Friedländer am Mittwoch mit einer Schweigeminute.
No comments