Die türkische Polizei hat Şeref Ateş, den ehemaligen Präsidenten des Yunus-Emre-Instituts, im Rahmen einer Korruptionsermittlung wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch und Geldwäsche festgenommen. Laut einem Bericht der Nachrichtenseite T24 wurde Ateş am Mittwoch am Flughafen Esenboğa in Ankara in Gewahrsam genommen. Die Generalstaatsanwaltschaft Ankara bestätigte die Festnahme am Donnerstag in einer Mitteilung.
Im Fokus der Ermittlungen steht die staatlich finanzierte Yunus-Emre-Stiftung, die eng mit der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) verbunden ist. Die Stiftung wurde 2007 gegründet, um weltweit die türkische Sprache, Geschichte, Kultur und Kunst zu fördern. Vorsitzender der Stiftung ist Kultur- und Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy, weitere hochrangige Regierungsvertreter gehören dem Vorstand an. Das Yunus-Emre-Institut ist Teil der Stiftung.
Vorwürfe von Betrug und Vetternwirtschaft
Die Festnahme von Ateş wird mit umfassenden Ermittlungen in Verbindung gebracht, die mutmaßliche Unregelmäßigkeiten bei der finanziellen Verwaltung der Stiftung betreffen – darunter gefälschte Rechnungen und manipulierte Ausschreibungen, die zu erheblichen finanziellen Schäden geführt haben sollen. Laut Anklageschrift seien große Einkäufe für die Stiftung bewusst in kleinere Beträge aufgeteilt worden, um die Kontrollschwellen zu umgehen und damit Ateş die Genehmigungen allein erteilen konnte.
Zudem sollen Beschaffungsaufträge an Unternehmen vergeben worden sein, die mit Ateş’ Sohn Enes Ateş in Verbindung stehen. So habe Enes Ateş beispielsweise versucht, ein auf dem freien Markt für rund 25.000 Lira (ca. 625 Dollar) produziertes Werbevideo über eine verbundene Firma für 2,4 Millionen Lira (ca. 60.000 Dollar) an die Stiftung zu verkaufen.
Insgesamt belaufen sich die finanziellen Schäden für die Yunus-Emre-Stiftung laut Angaben auf rund 64 Millionen Lira (etwa 1,6 Millionen US-Dollar).
Gegen 23 Personen wurden in diesem Zusammenhang zwei Anklagen eingereicht, die Haftstrafen von bis zu 14 Jahren fordern. Şeref Ateş war jedoch nicht Teil dieser Anklagen, da er kurz nach seiner Absetzung ins Ausland geflohen war. Sein Verfahren wurde daher abgetrennt und wird separat geführt.
Kritik an selektiver Strafverfolgung
Kritiker bemängeln, dass die Ermittlungen politisch motiviert seien und prominente Personen mit Verbindungen zur AKP und ihrem ultranationalistischen Bündnispartner, der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), verschont blieben. Medienberichten zufolge tauchten die Namen von Rahmi Göktaş, Ehemann der Ministerin für Familie und Soziales Mahinur Özdemir Göktaş, sowie von Abdullah Kutalmış Yalçın, Sohn des stellvertretenden MHP-Vorsitzenden Semih Yalçın, in dem mutmaßlichen Korruptionsnetzwerk auf. Beide wurden demnach diskret von ihren Posten entfernt, ohne strafrechtlich belangt zu werden.
Özgür Özel, Vorsitzender der größten Oppositionspartei CHP, kritisierte die Ermittlungen scharf und warf der AKP-Regierung vor, politisch einflussreiche Personen zu schützen. Özel behauptete, dass Göktaş und Yalçın selbst die nun untersuchten Geschäfte abgesegnet hätten.
Die Yunus-Emre-Stiftung war bereits in der Vergangenheit wegen Vetternwirtschaft und finanzieller Misswirtschaft in die Kritik geraten. Das Yunus-Emre-Institut, einer ihrer wichtigsten Zweige, betreibt weltweit über 63 Kulturzentren zur Förderung der türkischen Sprache und Kultur und engagiert sich in der internationalen Kultur- und Wissenschaftsdiplomatie.

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