Anwalt wegen Social-Media-Postings gegen Justizbeamte angeklagt

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Die türkische Staatsanwaltschaft hat eine Anklage gegen den Anwalt Burak Saldıroğlu erhoben, weil er in einem Beitrag auf der Plattform X (ehemals Twitter) den Istanbuler Chefankläger Akın Gürlek und eine Richterin des 8. Strafgerichts kritisiert hatte. Das berichtete das Stockholm Center for Freedom unter Berufung auf türkische Medien.

Die Anklage stützt sich auf den Vorwurf, Saldıroğlu habe „im Bereich der Terrorismusbekämpfung tätige Beamte ins Visier genommen“ und sie dadurch zu möglichen Zielen für Terrororganisationen gemacht.

Der beanstandete Beitrag

Am 8. Mai hatte Saldıroğlu geschrieben:

„Ein Gespenst geht um in Çağlayan. Der Richter des 8. Strafgerichts, Akın Gürlek usw., wird Ekrem İmamoğlu im Aufzug sehen, den er im Gerichtsgebäude benutzt. Er wird İmamoğlu auf dem Gehweg sehen, den er mit gesenktem Kopf entlanggeht. Er wird İmamoğlu an jeder Wand, auf jeder Straße, in jedem Menschen sehen, den er betrachtet, denn #İmamoğluHerYerde.“

Die Staatsanwaltschaft wertete dies als Aufruf, während Saldıroğlu die Vorwürfe zurückwies. Er berief sich auf die Meinungsfreiheit und betonte, seine Worte stellten keine Drohung dar.

Weitere Verfahren gegen Saldıroğlu

Bereits am 10. Mai war der Anwalt verhaftet worden, nachdem er in einem anderen Beitrag Präsident Recep Tayyip Erdoğan scharf kritisiert hatte. Darin stellte er die geistige Verfassung des Präsidenten infrage, als dieser einem 92-Jährigen die Hand küssen ließ. Daraufhin wurde Saldıroğlu wegen wiederholter „Präsidentenbeleidigung“ gemäß Artikel 299 StGB angeklagt. Nach 48 Tagen Untersuchungshaft wurde er am 27. Juni unter Auflagen entlassen.

Symbolfigur der politisierten Justiz

Akın Gürlek, seit 2023 Istanbuler Generalstaatsanwalt, gilt als Symbol für politisierte Justiz in der Türkei. Als Richter war er an zahlreichen Verfahren gegen Oppositionspolitiker, Journalist:innen und Aktivist:innen beteiligt – darunter auch an dem Urteil, das ein politisches Verbot gegen Istanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu bestätigte.

İmamoğlu, einer der prominentesten Politiker der oppositionellen CHP und wichtigster Rivale Erdoğans bei den für 2028 erwarteten Wahlen, wurde am 19. März festgenommen und später wegen Korruptionsvorwürfen inhaftiert. Menschenrechtsorganisationen und internationale Beobachter bezeichneten das Verfahren als politisch motiviert. Seine Festnahme führte zu landesweiten Protesten – der größten Welle von Unruhen seit den Gezi-Park-Protesten 2013.

Auch CHP-Vorsitzender Özgür Özel wurde beschuldigt, Beamte „ins Visier genommen“ zu haben, nachdem er Gürlek in einer Rede als „Henker und mobile Guillotine des Palasts“ bezeichnet hatte.

Systematischer Druck auf die Opposition

Seit Oktober 2024 steht die CHP unter massivem Druck der Regierung. Seit der Verhaftung İmamoğlus im März wurden mehr als 500 Personen aus dem Umfeld der Partei oder der Istanbuler Stadtverwaltung festgenommen, darunter 17 Bürgermeister. Kritiker sehen darin den Versuch, die Opposition zu schwächen, eine mögliche Kandidatur İmamoğlus zu verhindern und die Macht vor möglichen Neuwahlen zu sichern.

 

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