Vor 20 Jahren, am 22. November 2005, wurde Angela Merkel zur Bundeskanzlerin gewählt. Als erste Frau und ehemalige DDR-Bürgerin trat sie ein Amt an, das sie 16 Jahre lang prägen sollte — durch Finanz- und Eurokrise, die Flüchtlingswellen der 2010er und den Beginn der Corona-Pandemie.
Als physikerin und promovierte Wissenschaftlerin begann Merkel (geb. Kasner, 1954) ihren politischen Aufstieg nach der Wende: Nach Engagement in der Bürgerrechtsbewegung und der ostdeutschen Partei „Demokratischer Aufbruch“ wurde sie in der Nachwendezeit in der CDU sichtbar und war unter Kanzler Helmut Kohl Familienministerin. In den 1990er-Jahren sah sie sich häufig konservativen Spitzenpolitikern gegenüber — von abfälligen Adjektiven bis zu Kohls Spitznamen für sie — doch sie blieb politisch beständig.
Mitten in der sogenannten Spendenaffäre zur Jahrtausendwende gelang Merkel der Durchbruch zur Parteivorsitzenden der CDU. Fünf Jahre später setzte sie sich in der Bundestagswahl 2005 gegen den Amtsinhaber Gerhard Schröder (SPD) durch und bildete trotz anfänglicher Spannungen mit der SPD später mehrfach große Koalitionen. Unter ihrer Führung konsolidierte sich die CDU als dominante Kraft in der deutschen Politik über die folgenden anderthalb Jahrzehnte.
Merkels Regierungszeit ist gekennzeichnet durch eine pragmatische, oft nüchterne Politikweise: Sie steuerte die Bundesrepublik durch die globale Finanzkrise von 2008/09, war maßgeblich an europäischen Rettungspaketen in der Eurokrise beteiligt und stand 2015 im Fokus weltweiter Aufmerksamkeit wegen ihrer Entscheidung, Hunderttausende Schutzsuchende aufzunehmen. Zuletzt prägte sie die deutsche Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie. Kritiker werfen ihr teils zu vorsichtigen, teils zu konservativen Kurs vor; Befürworter loben ihre Stabilität und Kompromissfähigkeit in internationalen und nationalen Krisen.
Zwei Jahrzehnte nach ihrer ersten Wahl bleibt Merkels Amtszeit ein Meilenstein der deutschen Nachkriegsgeschichte: Sie veränderte das Bild politischer Führung, als erste Kanzlerin, als eine Politikerin mit ostdeutschen Wurzeln und als Gestalterin Deutschlands in unsicheren Zeiten. Ihre 16 Jahre im Kanzleramt hinterlassen eine vielschichtige Bilanz aus Stabilität, Kontinuität und kontroversen Einschnitten.

No comments