Papst Leo XIV. besucht Ankara: Ein Appell zu Dialog und Vielfalt

0

Auf seiner ersten Auslandsreise hat Papst Leo XIV. der Türkei einen Besuch abgestattet und dabei die Bedeutung des Landes als Vermittler in einer zunehmend zerrissenen Welt hervorgehoben. „Möge die Türkei eine Quelle der Stabilität und der Annäherung zwischen den Völkern sein, im Dienste eines gerechten und dauerhaften Friedens“, erklärte das Kirchenoberhaupt am Donnerstag in Ankara nach einem Gespräch mit Präsident Recep Tayyip Erdogan im Präsidentenpalast. Laut dem Bericht der Nachrichtenagentur AFP hält sich der Papst für vier Tage in der Türkei auf; im Anschluss plant er die Weiterreise in den Libanon.

Vor Vertretern der Behörden und dem diplomatischen Corps mahnte Leo XIV., es brauche Persönlichkeiten, „die Dialog fördern und betreiben, mit einem festen Willen und geduldiger Entschlossenheit“. Die Türkei komme dabei eine „besondere Rolle“ als verbindende Passage zwischen Ost und West, zwischen Asien und Europa zu, wie er betonte.

Zugleich verwies der Pontifex auf die gesellschaftliche „Diversität“ des Landes. Eine Gesellschaft sei lebendig, wenn sie Vielfalt zulasse. Christen wollten einen konstruktiven Beitrag zur Einheit der Türkei leisten, sagte Leo XIV. „Sie sind und fühlen sich wie ein Teil der türkischen Identität.“

Von den 86 Millionen Einwohnern der Republik leben heute nur rund 100.000 Christen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren es nahezu vier Millionen, von denen viele Massakern zum Opfer fielen oder vertrieben wurden. In den Jahren 1915/16 töteten Soldaten des Osmanischen Reichs nach Einschätzung der meisten Historiker gezielt Hunderttausende christliche Armenier – der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts. Ankara weigert sich bis heute, diese Verbrechen als Genozid anzuerkennen.

Erdogan erklärte, die Türkei sei ein Staat, der „nicht zulassen werde, dass auch nur ein einziger unserer Bürger Diskriminierung erfährt“. Kulturelle, religiöse und ethnische Unterschiede seien „keine Ursache von Spaltung, sondern eine Quelle des Reichtums“.

Zudem würdigte der türkische Präsident die Haltung des Papstes zur „palästinensischen Sache“. Die Menschheit schulde dem palästinensischen Volk „vor allem Gerechtigkeit“, sagte er. Diese Verpflichtung könne nur durch eine rasche Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung eingelöst werden.

Am Freitag kommt er in Iznik mit Vertretern verschiedener orthodoxer Kirchen zusammen, um an das Konzil von Nizäa vor 1700 Jahren zu erinnern. Samstag besucht der Papst die Blaue Moschee in Istanbul. Für Leo XIV. ist es der erste internationale Auftritt seit seiner Wahl im Mai.

Am Sonntag setzt er seine Reise in den Libanon fort, wo Begegnungen mit Jugendlichen und ein großer Freiluftgottesdienst mit rund 100.000 Gläubigen geplant sind. Mit der Reise verbindet der Papst den Anspruch, im Nahen Osten für Frieden zu werben und die Einheit der Christen wie auch den interreligiösen Dialog zu stärken.

Im Libanon bekennt sich mehr als ein Drittel der Bevölkerung zum Christentum; lange galt das Land als Modell für das Zusammenleben unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften. Seit 2019 steckt es jedoch in einer tiefen Krise. Trotz eines Waffenstillstands zwischen Israel und der vom Iran unterstützten schiitischen Hisbollah kommt es immer wieder zu tödlichen Gefechten, vor allem im Süden.

No comments