Trotz Embargo: Türkei war 2024 fünftgrößter Exporteur nach Israel – laut UN-Daten

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Trotz eines offiziell verhängten Handelsstopps gehörte die Türkei im Jahr 2024 zu den fünf größten Exporteuren nach Israel. Laut aktuellen Zahlen der UN-Handelsdatenbank (UN Comtrade) exportierte die Türkei im vergangenen Jahr Waren im Wert von 2,86 Milliarden US-Dollar nach Israel – und lag damit hinter China, den USA, Deutschland und Italien.

Diese Zahlen werfen Fragen zur Wirksamkeit und Umsetzung des von der türkischen Regierung im Mai 2024 verhängten vollständigen Handelsstopps mit Israel auf. Die Maßnahme war eine Reaktion auf wachsenden innenpolitischen Druck angesichts des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte Israel wiederholt Völkermord vorgeworfen und das Vorgehen mit Verbrechen des NS-Regimes verglichen.

Widersprüchliche Angaben

Nach Veröffentlichung der UN-Daten durch Al Jazeera am Donnerstag dementierte das türkische Handelsministerium die Zahlen scharf. Man sprach von „vollkommen falschen“ Angaben. Den offiziellen Angaben zufolge lagen die türkischen Exporte nach Israel zwischen Januar und April 2024 – also vor Inkrafttreten des Embargos – bei 1,522 Milliarden US-Dollar. In dieser Summe seien auch Lieferungen in die palästinensischen Gebiete enthalten.

Das Ministerium kritisierte die Berichterstattung in in- und ausländischen Medien als „manipulativ“ und warf ihnen vor, die konsequente Haltung der Türkei gegenüber Israels „Völkermord“ untergraben zu wollen. Man habe freiwillig auf ein Exportvolumen von 7 Milliarden US-Dollar verzichtet – aus einer Handelsbeziehung, die 2022 noch bei 9,5 Milliarden gelegen habe.

Indirekter Handel über Drittländer

Ungeachtet dieser offiziellen Verlautbarungen deuten Berichte der Türkischen Exporteursversammlung (TİM) und der israelischen Statistikbehörde (CBS) darauf hin, dass türkische Exporte über Drittländer nach Israel umgeleitet wurden. Besonders auffällig war ein Anstieg der Ausfuhren in Richtung Griechenland: Im Mai 2024 lagen diese 71 Prozent über dem Vorjahreswert und erreichten 375 Millionen US-Dollar. Viele dieser Waren gelangten über griechische Häfen weiter nach Israel – mit unverändertem Ursprungszertifikat „Türkei“.

Ein weiterer Weg führte über die palästinensischen Gebiete. Türkische Exporte dorthin stiegen in den ersten acht Monaten 2024 um 423 Prozent. Zwar war auf vielen Versandpapieren Palästina als Endziel angegeben, doch die Waren wurden an israelischen Häfen wie Ashdod entladen und über palästinensische Mittelsmänner an israelische Empfänger weitergeleitet. Einige israelische Firmen gründeten eigens Tochtergesellschaften unter palästinensischer Verwaltung, um diesen Handel zu erleichtern.

Öllieferungen trotz Embargo

Zudem dokumentierte die internationale Kampagne Stop Fueling Genocide, dass im Jahr 2024 zehn Rohöllieferungen von der Türkei nach Israel erfolgten – entgegen der erklärten Embargopolitik Ankaras. Diese Transporte, per Satellitenbildern und Schiffsdaten nachverfolgt, betrafen vor allem aserbaidschanisches Rohöl, das über die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline in die Türkei gelangte – eine der wichtigsten Quellen für Israels Rohölimporte. Aktivisten weisen darauf hin, dass das in Israel raffinierte Öl auch zur Betankung militärischer Ausrüstung diene.

Hintergrund: Der Krieg in Gaza

Die militärische Eskalation begann am 7. Oktober 2023 mit einem Angriff der Hamas auf Israel, bei dem 1.206 Menschen getötet und etwa 250 als Geiseln genommen wurden. Die darauf folgende israelische Offensive im Gazastreifen forderte nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums über 53.000 Todesopfer und mehr als 122.000 Verletzte unter der palästinensischen Bevölkerung.

Ein Bericht von Amnesty International vom 5. Dezember 2024 kommt zu dem Schluss, dass Israels Handlungen in Gaza die Kriterien eines Völkermords erfüllen.

Die Enthüllungen über den anhaltenden – wenn auch indirekten – Handel zwischen der Türkei und Israel werfen ein kritisches Licht auf Ankaras offizielle Politik und rufen international wie innenpolitisch Empörung hervor. Während Präsident Erdoğan außenpolitisch scharfe Töne gegen Israel anschlägt, mehren sich die Hinweise auf wirtschaftliche Realitäten, die den politischen Botschaften widersprechen.

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