Türkische Medienaufsicht verhängt Strafen gegen Streaming-Plattformen wegen „Unmoral“ und „Obszönität“

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Der türkische Rundfunkrat RTÜK hat fünf große Streaming-Dienste, darunter Netflix und Amazon Prime Video, wegen angeblicher Verstöße gegen Gesetze zu „Obszönität“ und „öffentlicher Moral“ bestraft. Die Behörde erklärte, bestimmte Inhalte würden „Familienwerte untergraben“ und damit gegen nationale Werte verstoßen.

RTÜK verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 3 % der Werbeeinnahmen und ordnete die Entfernung mehrerer Filme aus den Katalogen an. Betroffen sind:

  • „Cobalt Blue“ (Netflix)
  • „Those About to Die“ (Prime Video)
  • „Benedetta“ (MUBI)
  • „All of Us Strangers“ (Disney XD)
  • „Looking: The Movie“ (HBO Max)

In einer Erklärung hieß es, die Filme enthielten homosexuelle Darstellungen, sexuelle Inhalte oder verherrlichten Gewalt – Aspekte, die nicht mit „nationalen und moralischen Werten“ vereinbar seien. RTÜK betonte, man wolle im Rahmen des von Präsident Erdoğan ausgerufenen „Jahres der Familie“ Kinder vor schädlichen Inhalten schützen und die Rolle der Familie stärken.

Kritik von der Opposition

Tuncay Keser, RTÜK-Mitglied der oppositionellen CHP, sprach von einem klaren „Doppelstandard“. Während tagsüber im Fernsehen Talkshows ausgestrahlt würden, die Familienstrukturen untergraben, würden Streaming-Plattformen mit Abo-Modellen, die Erwachsene freiwillig nutzen, sanktioniert.

Politische Einflussnahme

Kritiker werfen RTÜK vor, als Instrument zur Durchsetzung der Regierungsagenda zu agieren. Laut Media Freedom Rapid Response (MFRR) verhängte RTÜK allein im ersten Halbjahr 2025 insgesamt 46 Sanktionen, 42 davon gegen regierungskritische Medien, mit Bußgeldern von fast 100 Millionen Lira (ca. 2 Mio. Euro).

Bereits im Juli 2024 hatte RTÜK Sanktionen gegen Netflix, MUBI und BluTV verhängt, ebenfalls mit Verweis auf „moralische Verstöße“. Grundlage ist Artikel 32 des Gesetzes Nr. 6112, das auch Programmsperren und Lizenzentzug ermöglicht.

Die Türkei rangiert im Pressefreiheitsindex 2025 von Reporter ohne Grenzen (RSF) auf Platz 159 von 180 Staaten – und bleibt damit eines der Länder mit den größten Einschränkungen für freie Medien.

 

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