Silivri-Zelle als Kunstinstallation in Berlin – Zeichen der Solidarität mit Imamoglu

0

Ein Tisch, ein Bett, eine kleine Küchenzeile und eine Hocktoilette auf knapp zehn Quadratmetern, umgeben von Glaswänden: Vor dem Roten Rathaus in Berlin ist am Mittwoch eine Nachbildung einer Zelle des Istanbuler Hochsicherheitsgefängnisses Silivri präsentiert worden. Die Installation soll Solidarität mit dem seit März dort inhaftierten Bürgermeister von Istanbul und Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu zum Ausdruck bringen.

Initiiert wurde das Projekt vom in Berlin lebenden Journalisten Can Dündar, der in der Türkei selbst zeitweise im Silivri-Gefängnis inhaftiert war. Er erklärte, die Aktion solle die Öffentlichkeit auf die politischen Zustände in der Türkei aufmerksam machen. Dündar hatte sich unmittelbar nach der Festnahme Imamoglus an Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) gewandt. Dieser habe, so Dündar, sofort seine Unterstützung zugesagt. Zur Eröffnung erschienen neben Wegner auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), berichtet die Nachrichtenagentur AFP.

Imamoglu gilt als politischer Rivale des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Seine Festnahme erfolgte im März, kurz bevor die oppositionelle CHP ihn offiziell zum Präsidentschaftskandidaten ernennen wollte. Nach Ansicht Dündars hätte Imamoglu gute Chancen, eine Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Mit einer baldigen Freilassung rechnet er daher nicht. Den westlichen Staaten wirft Dündar Untätigkeit vor; sie beschränkten sich auf bloße Verurteilungen.

Die Installation mit dem Titel Silivri. Prison of Thought entstand 2021 in Zusammenarbeit mit der iranischen Künstlerin Shahrzad Rahmani für das Berliner Maxim Gorki Theater. Wegen der damaligen Corona-Beschränkungen fand sie zunächst nur begrenzte Aufmerksamkeit. Nun ist sie für Passanten unmittelbar erfahrbar: Nachts verwandeln sich die Innenwände in Spiegel, die lediglich das eigene Abbild zurückwerfen, während der Blick nach außen verwehrt bleibt.

Die Nachbildung bleibt bis zum 8. Oktober vor dem Roten Rathaus zu sehen und soll anschließend in den Garten des Maxim Gorki Theaters zurückkehren. Dündar plant, die Installation auch in Paris und Amsterdam zu zeigen.

Das Gefängnis Silivri, etwa 70 Kilometer westlich von Istanbul, ist mit rund 15.000 Insassen die größte Haftanstalt der Türkei. Bekannt ist sie für die dort zahlreich inhaftierten politischen Gefangenen. Unter ihnen befinden sich neben Imamoglu auch der Kulturförderer Osman Kavala. In der Vergangenheit waren dort unter anderem der deutsche Journalist Deniz Yücel und der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner inhaftiert.

No comments