Ömer Murat
Es ist kein Geheimnis, dass Präsident Recep Tayyip Erdoğan und der ehemalige US-Präsident Joe Biden nicht das beste Verhältnis hatten. Daher zögerte der türkische Staatschef nicht, seine Freude über Trumps Wiederwahl zum Ausdruck zu bringen. Die Spannungen zwischen den beiden resultierten aus Bidens Versuch, sich – soweit es die Realpolitik zuließ – von populistischen Führern zu distanzieren. Erdoğan ging daher davon aus, dass Trumps Rückkehr an die Macht für ihn eine Erleichterung sein würde.
Allerdings haben Trumps außenpolitische Entscheidungen Erdoğan bislang in eine schwierige Lage gebracht. Ein Beispiel ist Trumps Ansatz zur Gaza-Frage, der eine Art ethnische Säuberung durch die Deportation aller Palästinenser aus dem Gazastreifen vorsieht. Erdoğan wusste zunächst nicht, wie er darauf reagieren sollte. Normalerweise hätte er mit provokativer Rhetorik die türkische Öffentlichkeit gegen die USA mobilisiert, doch dieses Mal blieb er zurückhaltend. Anfänglich ließ er andere Regierungsvertreter für sich sprechen, und erst als die Opposition seine auffällige Stille kritisierte, verurteilte er den Plan – jedoch ohne den US-Präsidenten direkt zu kritisieren.
Trumps Entscheidung, mit der westlichen Einigkeit in Bezug auf Russlands Invasion in der Ukraine zu brechen und ohne Rücksprache mit den europäischen Verbündeten direkt mit dem Kreml zu kommunizieren, war ein weiterer außenpolitischer Paukenschlag, der für Erdoğan enttäuschend begann. Während Delegationen unter der Leitung der US- und russischen Außenminister bereits unter saudischer Vermittlung in Riad zusammentrafen, stattete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Ankara am selben Tag einen offiziellen Besuch ab. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz äußerte Erdoğan subtil seine Unzufriedenheit darüber, dass Trump und Putin ihn offenbar übergangen hatten, indem er sagte: „Unser Land wäre ein idealer Gastgeber für zukünftige Treffen zwischen Russland, der Ukraine und den USA.“
Allerdings gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass dieses Angebot angenommen wird. US-Außenminister Marco Rubio rief die Außenminister Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Großbritanniens sowie den EU-Außenbeauftragten an, um sie über das Treffen in Riad zu informieren und ihre Besorgnis über eine mögliche Ausgrenzung aus den Verhandlungen mit Russland zu zerstreuen. Einen solchen Anruf hielt er für die Türkei jedoch nicht für nötig.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der in der vergangenen Woche zwei Dringlichkeitstreffen mit europäischen Staats- und Regierungschefs einberief, um auf Trumps dramatische Kehrtwende in der Russland-Politik zu reagieren, sah ebenfalls keinen Grund, Erdoğan dazu einzuladen.
Die westlichen Staaten sind verständlicherweise besorgt über Erdoğans stillschweigende Zusammenarbeit mit Putin, um die umfassenden Sanktionen zu umgehen, die nach Beginn des Ukraine-Krieges gegen Russland verhängt wurden. Dass die Biden-Regierung wiederholt gezielt türkische Unternehmen mit Sanktionen belegte, die an der Umgehung dieser Maßnahmen beteiligt waren, ist ein deutliches Zeichen für dieses Unbehagen. Trump galt in dieser Hinsicht als unberechenbar, und in Ankara gab es Hoffnungen, dass er eine Politik verfolgen könnte, die der Türkei zugutekommt. Doch es scheint, dass die Trump-Regierung keine besondere Priorität darin sieht, die Türkei als Austragungsort für diese wichtigen Gespräche zu nutzen – trotz Erdoğans hoher Erwartungen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass man Erdoğan keine wesentliche Einflussnahme auf den Verlauf der Ereignisse zutraut.
Auch Russland, das vor drei Jahren Istanbul als Verhandlungsort für Friedensgespräche auswählte, scheint diesmal nicht geneigt, der Türkei eine besondere Rolle zuzugestehen. Es war abzusehen, dass die Rolle der von Erdoğan unterstützten Miliz Hayat Tahrir al-Sham beim Sturz des Assad-Regimes in Syrien und Russlands überstürzter „Rückzug“ aus dem Nahen Osten dazu führen würden, dass sich die Beziehungen zwischen Moskau und Ankara abkühlen.
Obwohl Erdoğan während des Ukraine-Krieges wiederholt betonte, eine ausgewogene Politik zwischen Russland und dem Westen zu verfolgen, hat keine der beiden Seiten wirkliches Vertrauen in ihn. Zudem macht die anhaltende Wirtschaftskrise der Türkei es ihm schwer, ernsthaftes geopolitisches Gewicht in die Waagschale zu werfen.
Dabei hatte die Türkei während des Krieges durchaus eine wichtige Rolle gespielt – etwa bei der Einrichtung des sogenannten „Getreidekorridors“ im Schwarzen Meer, der den Export lebenswichtiger Nahrungsmittel aus der Ukraine ermöglichte. Auch in den frühen Phasen des Konflikts war die Türkei in Vermittlungsbemühungen involviert. Doch seither scheint sie an Bedeutung verloren zu haben.
In Ankara betonte Selenskyj die Notwendigkeit umfassender Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Er fragte: „Wenn es nicht die NATO ist, wer kann uns dann diese Garantien geben?“ und fügte hinzu: „Wir haben mit Präsident Erdoğan auch über mögliche Sicherheitsgarantien gesprochen, einschließlich durch starke Länder mit mächtigen Streitkräften wie die Türkei.“
Falls die Ukraine in einem Friedensabkommen den Verlust von Territorium an Russland akzeptieren sollte, wird sie zweifellos Sicherheitsgarantien fordern, um sich vor erneuten russischen Angriffsversuchen zu schützen. Die Türkei könnte sich an den militärischen Kräften beteiligen, die im Rahmen dieser Sicherheitsgarantien in der Ukraine stationiert werden. Allerdings hängt ihr tatsächlicher Beitrag von der finanziellen Belastbarkeit Ankaras ab. Angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Türkei bleibt fraglich, inwieweit sie sich eine solche Beteiligung leisten kann. Selbst wenn die Türkei Truppen entsenden würde, würde sie wahrscheinlich darauf bestehen, dass Europa einen erheblichen Teil der Kosten übernimmt – eine Konstellation, die Ankaras Verhandlungsposition schwächen könnte.
Für Erdoğan, der im Inland seine autokratische Macht weiter festigen will, wäre eine Aufwertung der türkischen Rolle auf der internationalen Bühne – insbesondere im Westen – eine willkommene Gelegenheit. Er weiß genau, dass er die geopolitische Bedeutung der Türkei als Druckmittel nutzen kann, um Kritik aus dem Westen abzulenken, wie er es bereits während der „Flüchtlingskrise“ tat. Doch die ersten Anzeichen für Veränderungen in der globalen Politik nach Trumps Wahl sprechen nicht für eine solche Entwicklung.
Erdoğan hatte gehofft, aus seiner neutralen Haltung zwischen dem Westen und Russland Vorteile zu ziehen. Doch bislang hat diese Politik lediglich dazu geführt, dass die Türkei weder als verlässlicher Partner noch als unverzichtbarer, neutraler Vermittler wahrgenommen wird.
Erstveröffentlichung: 24. Februar 2025, https://turkishminute.com/2025/02/24/opinion-erdogan-is-upset-at-loss-of-relevance-in-ukraine-negotiations4/
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