Türkischer Umweltjournalist stirbt nach brutalem Angriff in Istanbul

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Der türkische Journalist und Umweltaktivist Hakan Tosun ist am Montag an den Folgen eines brutalen Angriffs in Istanbul gestorben. Sein Tod löste landesweit Trauer und Forderungen nach Gerechtigkeit seitens Medienorganisationen, NGOs und Politiker:innen aus.

Tosun (50) war am 10. Oktober angegriffen worden – nach Angaben seiner Familie und Kolleg:innen offenbar gezielt wegen seiner Berichterstattung über Umweltproteste und ökologische Themen. Laut einer Polizeimitteilung wurde er in den frühen Morgenstunden des Samstags bewusstlos auf einer Straße im Istanbuler Stadtteil Esenyurt gefunden. Mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert, erklärten Ärzt:innen am Montagabend, seine Hirnfunktionen seien irreversibel erloschen.

Die Journalistin Fatoş Erdoğan teilte die Nachricht über Tosuns Tod auf X (ehemals Twitter) mit und kündigte an, dass seine Organe gespendet würden:

„Unser Freund und Journalist Hakan Tosun wurde für hirntot erklärt. Er wollte, dass seine Organe gespendet werden – so verlässt er diese Welt, indem er anderen Leben schenkt.“

Sie fügte hinzu:

„Unser Freund, der für das Lebensrecht von Wölfen, Vögeln, Bäumen und Menschen kämpfte, wurde zu Tode geprügelt. Wir werden nicht schweigen: Was ist mit Hakan Tosun geschehen?“

Tosun begann seine Karriere in den frühen 1990er-Jahren als Radiotechniker und arbeitete später als Nachrichtenredakteur und Dokumentarfilmer. Er war bekannt für seine Berichterstattung über Umweltschutz, Stadtaktivismus und den Widerstand gegen Gentrifizierung.

Nach der Bestätigung seines Hirntods versammelten sich Dutzende Journalist:innen, Umweltaktivist:innen und Unterstützer:innen vor dem Başakşehir Çam- und Sakura-Stadtkrankenhaus, in dem er behandelt wurde.

Demet Parlar von der Umweltorganisation Climate Justice Coalition erklärte, Tosun sei „seit Langem die Stimme der Natur und der Unterdrückten“ gewesen. Sie forderte die Behörden auf, die Täter zu identifizieren und zur Verantwortung zu ziehen.

Der Anwalt Hakan Bozyurt von der Progressiven Anwaltsvereinigung (ÇHD) kritisierte, dass Videoaufnahmen, Beweise und Zeugenaussagen zum Angriff „größtenteils unvollständig“ seien, und rief mögliche Zeug:innen auf, sich bei den Ermittlern zu melden.

Am Dienstagnachmittag fand im Nurtepe Cemevi, einem alevitischen Gebetshaus in Istanbul, eine Trauerzeremonie statt. Zahlreiche Umweltorganisationen, Politiker:innen und Menschenrechtsaktivist:innen würdigten Tosun als „großen Verlust für den Journalismus und die Umweltbewegung“.

Die Abgeordnete der pro-kurdischen DEM-Partei, Perihan Koca, verurteilte den Mord und forderte Aufklärung:

„Sie haben einen Journalisten zu Tode geprügelt – einen Menschen, der die Erinnerung an Widerstand dokumentierte. Warum schweigt das Innenministerium seit Tagen? Wer sind die beiden Personen, die angeblich festgenommen wurden?“

In einer Erklärung auf X betonte die DEM-Partei, die Aufklärung von Tosuns Tod sei „entscheidend für die Pressefreiheit und den Respekt vor dem Recht auf Leben“.

Auch Burhanettin Bulut, stellvertretender Vorsitzender der Oppositionspartei CHP, verurteilte den Angriff:

„Dieser abscheuliche Angriff richtete sich nicht nur gegen einen Journalisten, sondern auch gegen die Wahrheit, die Pressefreiheit und das Recht auf Information.“

Der Verband der Progressiven Journalist:innen erklärte, Angriffe auf Medienschaffende seien in der Türkei „zur Gewohnheit geworden“, und forderte „Aufklärung und Rechenschaft“. Auch Reporter ohne Grenzen (RSF) schloss sich dieser Forderung an.

Erol Önderoğlu, RSF-Vertreter in der Türkei, sagte:

„Alle Details über das Motiv dieses Angriffs müssen offengelegt werden. Wir sind tief betroffen und verlangen die härteste Bestrafung der Verantwortlichen.“

Laut seiner Kollegin Mehveş Evin berichtete Tosun zuletzt über Umweltproteste – darunter in Kurtderesi im südtürkischen Hatay, wo Olivenhaine und Zitrusplantagen im Rahmen einer „dringenden Enteignung“ zerstört werden, sowie in Çorum, wo Dorfbewohner gegen den Bau eines Steinbruchs protestierten.

Angriffe und juristische Schikanen gegen Journalist:innen sind in der Türkei weit verbreitet. Das Land rangiert laut dem Weltindex der Pressefreiheit 2025 von Reporter ohne Grenzen (RSF) auf Platz 159 von 180.

 

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