Die schwedische Regierung hat das türkische Auslieferungsersuchen für den im Exil lebenden Journalisten Abdullah Bozkurt abgelehnt. Zur Begründung hieß es, die ihm vorgeworfenen Taten seien nach schwedischem Recht nicht strafbar und könnten daher keine Grundlage für eine Auslieferung bilden.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte die Auslieferung mehrerer in Schweden lebender Personen zur Bedingung gemacht, bevor er 2024 der NATO-Mitgliedschaft Stockholms zustimmte, und Schweden beschuldigt, ein „Zufluchtsort für Terroristen“ zu sein.
Ein Sprecher des schwedischen Justizministeriums sagte gegenüber AFP:
„Am 13. November dieses Jahres hat die Regierung zwei türkische Auslieferungsersuchen abgelehnt, nachdem der Oberste Gerichtshof Hindernisse festgestellt hat.“
Damit bezog er sich auf Entscheidungen des Höchstgerichts zu den türkischen Staatsbürgern Bozkurt (54) und Muharrem Özad (36) vom 29. Oktober bzw. 3. Juli.
Vorwürfe der Türkei – vom Gericht verworfen
Ankara wirft Bozkurt unter anderem vor, eine „bewaffnete Terrororganisation zu führen“, „Terrorpropaganda zu verbreiten“ und geheime Informationen offengelegt zu haben – alles aufgrund angeblicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung.
Özad wiederum wird die Mitgliedschaft in einer „terroristischen Organisation“ vorgeworfen, da er ein Konto bei einer der Bewegung nahestehenden Bank gehabt, in ihren Wohnheimen gelebt und Kontakt zu Mitgliedern gehabt habe.
In beiden Fällen stellte der Oberste Gerichtshof fest, dass die angeblichen Straftaten nach schwedischem Recht nicht mit mehr als einem Jahr Haft bedroht sind – eine Voraussetzung für Auslieferungen.
Regierung an Gerichtsentscheid gebunden
Die schwedische Regierung hat zwar das letzte Wort, darf jedoch eine Auslieferung nicht genehmigen, wenn der Oberste Gerichtshof dagegen entscheidet.
Die Türkei blockierte Schwedens NATO-Beitritt ganze 17 Monate, bis Stockholm schärfere Maßnahmen gegen Extremismus ergriff, ein Waffenembargo von 2019 aufhob und versprach, türkische Auslieferungsanträge „zügig zu prüfen“.
Wer ist Abdullah Bozkurt?
Bozkurt war Büroleiter der inzwischen geschlossenen Zeitung Today’s Zaman in Ankara. Er floh nach dem Putschversuch 2016 nach Schweden.
2019 gründete er gemeinsam mit Journalist Levent Kenez das Rechercheportal Nordic Monitor, das zahlreiche Berichte über die autoritäre Politik der Erdoğan-Regierung und grenzüberschreitende Repressionsmethoden des türkischen Geheimdienstes MİT veröffentlichte.
Damit wurde Bozkurt zu einem der meistverfolgten Journalisten im türkischen Exil:
- 2020 wurde er in Stockholm körperlich angegriffen.
- Seine Adresse wurde an regierungsnahe Medien durchgestochen.
- Türkische Medien verbreiteten falsche Anschuldigungen, u.a. angebliche Verbindungen zum Attentat auf den russischen Botschafter Karlow.
- Regierungsnahe Akteure drohten ihm wiederholt offen mit Ermordung.
Schwedische und europäische Journalistenverbände verurteilten die Drohungen als „politische Erpressung“.
Hintergrund: Exilmedien unter Druck
Nach dem gescheiterten Putschversuch flohen Dutzende Journalist*innen ins Ausland und gründeten dort neue Plattformen, die weiterhin über die Lage in der Türkei berichten. Nordic Monitor gehört zu den wichtigsten dieser Medien – und ist seit Jahren Ziel türkischer politischer und diplomatischer Druckversuche.

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