US-Abgeordnete verurteilen Menschenrechtslage in der Türkei bei Kongressanhörung

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US-amerikanische Abgeordnete haben bei einer Anhörung im Kongress am Dienstag die Menschenrechtslage in der Türkei scharf kritisiert. Unter Verweis auf weit verbreitete Missstände unter der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan – darunter Masseninhaftierungen politischer Gegner, die Schikane von Minderheiten sowie Bedrohungen gegenüber Journalisten und Kritikern im Ausland – äußerten sich die Teilnehmer der Sitzung laut dem Stockholm Center for Freedom äußerst besorgt.

Während der Anhörung vor der Tom Lantos Human Rights Commission, einer parteiübergreifenden Kommission des Repräsentantenhauses zur Förderung und Verteidigung international anerkannter Menschenrechte, berichteten Abgeordnete und Zeugen von schwerwiegenden Verstößen, darunter willkürliche Inhaftierungen, Folter sowie transnationale Repression gegen türkische Kritiker außerhalb des Landes.

„Tausende sitzen weiterhin zu Unrecht im Gefängnis“, sagte der republikanische Abgeordnete Chris Smith aus New Jersey, Ko-Vorsitzender der Kommission. Er wies insbesondere darauf hin, dass über 15.500 Personen aufgrund angeblicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung in Untersuchungshaft seien.

Der türkische Präsident Erdoğan richtet sich seit den Korruptionsermittlungen von 2013, die ihn, Mitglieder seiner Familie sowie sein engstes Umfeld betrafen, gegen die Anhänger der Bewegung, die von dem inzwischen verstorbenen muslimischen Geistlichen Fethullah Gülen inspiriert ist.

Erdoğan wies die Ermittlungen als einen gülenistischen Umsturzversuch und eine Verschwörung gegen seine Regierung zurück und begann, Mitglieder der Bewegung systematisch zu verfolgen. Im Mai 2016 stufte er die Bewegung als Terrororganisation ein und verschärfte das Vorgehen nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli desselben Jahres, für den er Gülen verantwortlich machte. Die Bewegung weist jegliche Beteiligung an dem Umsturzversuch oder an terroristischen Aktivitäten entschieden zurück.

Nach dem Putschversuch verhängte die türkische Regierung den Ausnahmezustand und leitete unter dem Vorwand der Putschbekämpfung eine umfassende Säuberung staatlicher Institutionen ein. Mehr als 130.000 Beamte – darunter 4.156 Richter und Staatsanwälte sowie über 24.000 Angehörige der Streitkräfte – wurden per Notstandsdekret ohne gerichtliche oder parlamentarische Kontrolle entlassen, da ihnen angebliche Verbindungen zu „terroristischen Organisationen“ vorgeworfen wurden.

Der ehemalige NBA-Spieler und Aktivist Enes Kanter Freedom berichtete in emotionaler Weise von seinen eigenen Erfahrungen mit Verfolgung durch türkische Behörden, darunter mehrere internationale Haftbefehle, Morddrohungen sowie beinahe geglückte Entführungen in Ländern wie Indonesien und Rumänien. „Es ist entscheidend, dass die Vereinigten Staaten mutigere Schritte unternehmen“, forderte er und sprach sich für gezielte Sanktionen und eine stärkere Rechenschaftspflicht in Bezug auf die Menschenrechtsverletzungen der Türkei aus.

Kanter Freedom schilderte zudem die Schicksale mehrerer Häftlinge, die wegen angeblicher Verbindungen zur Bewegung unter extremen Bedingungen inhaftiert seien: İbrahim Güngör, ein 71-jähriger Alzheimer-Patient, der seine eigene Tochter nicht mehr erkannte und dennoch nicht freigelassen wurde, obwohl er sich nicht selbst versorgen konnte; Özlem Düzenli, eine Labortechnikerin und junge Mutter, die mit ihrem sieben Monate alten Baby unter unhygienischen Bedingungen inhaftiert war – das Kind entwickelte hohes Fieber, erhielt aber keine medizinische Versorgung; Hatice Doğru, im fünften Monat schwanger und an einer chronischen Herzerkrankung leidend, der trotz ernsthafter Gesundheitsgefahren jegliche medizinische Hilfe verweigert wurde; und Kamil Acar, ein 61-jähriger Lehrer mit Nierenversagen und inneren Blutungen, der trotz Anspruch auf Haftverschonung weiterhin inhaftiert blieb.

Dr. Alp Aslandoğan, geschäftsführender Direktor der Alliance for Shared Values, schilderte die Ausmaße der Repression gegen die Gülen-Bewegung. Über 125.000 Personen seien wegen mutmaßlicher Verbindungen zu der Bewegung verurteilt worden – oftmals basierend auf so geringfügigen Belegen wie dem Herunterladen einer Messaging-App oder Spenden an wohltätige Organisationen. Er verwies zudem auf die systematische Unterdrückung der Zivilgesellschaft sowie auf die Schließung hunderter Schulen, Medienhäuser und Nichtregierungsorganisationen.

Laut einer Erklärung von Justizminister Yılmaz Tunç anlässlich des achten Jahrestages des Putschversuchs im Juli, wurden seitdem insgesamt 705.172 Personen wegen angeblicher Verbindungen zur Bewegung im Zusammenhang mit Terrorismus oder Umsturzvorwürfen strafrechtlich verfolgt.

Diese Zahl dürfte in den vergangenen zehn Monaten weiter gestiegen sein, da die Operationen gegen Anhänger der Gülen-Bewegung unvermindert andauern. Präsident Erdoğan und mehrere Regierungsmitglieder haben wiederholt betont, dass der Kampf gegen die Bewegung auch nach dem Tod Gülens nicht nachlassen werde.

Michael Rubin, Senior Fellow am American Enterprise Institute, forderte eine Überprüfung aller geheimdienstlichen Informationen, die von der Türkei an die USA und an NATO-Partner übermittelt wurden. Er warnte, dass Ankara falsche Terrorismusvorwürfe als politisches Instrument gegen friedliche Gegner nutze. Rubin verurteilte insbesondere die Einstufung von politischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren als Terroristen. Als Beispiele nannte er die Inhaftierung des Philanthropen und zivilgesellschaftlichen Aktivisten Osman Kavala sowie des früheren Ko-Vorsitzenden der pro-kurdischen HDP, Selahattin Demirtaş – trotz einschlägiger Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die ihre Freilassung fordern.

Kanter Freedom lenkte die Aufmerksamkeit zudem auf die fortdauernde juristische Verfolgung von Ekrem İmamoğlu, dem populären Bürgermeister Istanbuls, gegen den politisch motivierte Anklagen erhoben wurden – offenbar mit dem Ziel, seine Kandidatur bei künftigen Wahlen zu verhindern. Dr. Aslandoğan betonte, solche Verfahren zeugten vom mangelnden Respekt des Regimes vor der richterlichen Unabhängigkeit und davon, dass jegliche ernstzunehmende Oppositionsfigur zum Schweigen gebracht werden solle.

Ein zentrales Thema der Anhörung war zudem die Religionsfreiheit. Redner verwiesen auf die Schließung des Halki-Seminars, auf Einschränkungen für den Ökumenischen Patriarchen sowie auf systematische Diskriminierung von Aleviten, Christen und Kurden.

Der republikanische Abgeordnete Gus Bilirakis aus Florida sowie weitere Teilnehmer brachten die Menschenrechtsverletzungen der Türkei auch mit der Besetzung Nordzyperns in Verbindung. Sie verwiesen auf die Zerstörung und Plünderung alter christlicher Stätten sowie auf den Versuch, die demografische Struktur der Insel gezielt zu verändern. Rubin warnte zudem, dass Ankara den Bau einer russisch-orthodoxen Kirche in der Region unterstütze – ein Mittel zur Einflussnahme des Kremls.

Abschließend betonten Abgeordnete wie Zeugen, dass sich ihre Kritik nicht gegen das türkische Volk richte, sondern gegen das Erdoğan-Regime. „Die Türkei ist ein wunderschönes Land mit einer reichen Kultur“, sagte Kanter Freedom. „Sie verdient Besseres.“

US lawmakers condemn Turkey’s human rights record at congressional hearing

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