In der Türkei sind im August 29 Frauen von Männern ermordet worden. Weitere 28 Frauen wurden unter „verdächtigen Umständen“ tot aufgefunden. Das berichtete das Stockholm Center for Freedom unter Berufung auf eine Erklärung der Frauenrechtsorganisation Wir werden Femizide stoppen (Kadın Cinayetlerini Durduracağız Platformu, KCDP), die am Donnerstag veröffentlicht wurde.
Die Plattform erklärte, dass drei Frauen getötet wurden, weil sie über ihr eigenes Leben entscheiden wollten – etwa durch die Einreichung einer Scheidung, die Ablehnung einer Versöhnung, das Verweigern einer Ehe oder die Beendigung einer Beziehung. Sieben Frauen wurden infolge finanzieller Streitigkeiten ermordet, eine weitere aus frauenfeindlichem Hass. In 18 Fällen konnte das Tatmotiv nicht ermittelt werden.
Nach Angaben der Organisation wurden 65 Prozent der Frauen von männlichen Familienangehörigen getötet. 74 Prozent der Morde geschahen in den Wohnungen der Opfer. Fast die Hälfte der Frauen (48 Prozent) starb durch Schusswaffen.
Die 2010 gegründete und seit 2012 als Verein registrierte Plattform dokumentiert systematisch geschlechtsspezifische Gewalt in der Türkei. Sie warnt seit Jahren vor einer „Kultur der Straflosigkeit“: Täter würden oft gar nicht angeklagt, vor Gericht freigesprochen oder durch manipulierte Behauptungen geschützt, die Opfer hätten Suizid begangen. Diese Straflosigkeit ermutige Täter und öffne weiteren Femiziden Tür und Tor.
Femizide und Gewalt gegen Frauen stellen in der Türkei ein massives gesellschaftliches Problem dar. Frauen werden nahezu täglich getötet, vergewaltigt oder misshandelt. Kritiker machen dafür vor allem die Politik der regierenden AKP verantwortlich, die gewalttätige Männer durch Straflosigkeit de facto schütze.
Besonders heftig wurde die Kritik nach dem umstrittenen Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention, dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die Konvention wurde 2011 zur Unterzeichnung freigegeben und gilt als zentrales Instrument zum Schutz von Frauenrechten.
Trotz massiver internationaler Proteste erließ Präsident Recep Tayyip Erdoğan im März 2021 ein Dekret, mit dem die Türkei den Vertrag verließ. Er behauptete, das Abkommen sei von „Gruppen gekapert worden, die Homosexualität normalisieren wollten“ – etwas, das seiner Ansicht nach mit den „türkischen sozialen und familiären Werten“ unvereinbar sei. Der offizielle Austritt erfolgte am 1. Juli 2021.
Im Global Gender Gap Report 2024 des Weltwirtschaftsforums belegte die Türkei Platz 127 von 146 Staaten und gehört damit zu den Ländern mit den größten Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen.
                                    
                                        
        
        
                
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