Die in Untersuchungshaft sitzende Sueda Güngör durfte nicht an der Beerdigung ihres Vaters teilnehmen. Erst zwei Tage nach der Trauerfeier wurde sie von den türkischen Behörden für eine Stunde in das Haus der Familie gebracht – in Handschellen und unter Aufsicht von Gendarmen. Dort konnte sie lediglich Videoaufnahmen der Beisetzung ansehen und mit ihren Angehörigen trauern.
Vater im Gefängnis verstorben
Ihr Vater, der 72-jährige İbrahim Güngör, war am 7. September verstorben. Er litt an Alzheimer, Diabetes und Prostataproblemen und war in den vergangenen Jahren mehrfach im Gefängnis hospitalisiert worden. Trotz der monatelangen Bemühungen seiner Tochter um eine Freilassung hatte das forensische Institut (ATK) im April entschieden, dass er „haftfähig“ sei.
Tochter selbst inhaftiert
Sueda Güngör, Universitätsstudentin, war am 20. Juni wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung festgenommen worden – unter ähnlichen Anschuldigungen, die bereits zur Verurteilung ihres Vaters geführt hatten.
Hintergrund: Verfolgung der Gülen-Bewegung
Seit den Korruptionsermittlungen im Dezember 2013 richtet sich Präsident Recep Tayyip Erdoğan gegen die Anhänger der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen. 2016 wurde die Bewegung offiziell zur „Terrororganisation“ erklärt. Nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016, den Erdoğan Gülen zuschreibt, verschärfte sich die Verfolgung massiv. Die Bewegung weist jede Beteiligung am Umsturzversuch zurück.
Zehntausende verurteilt oder in Haft
Nach offiziellen Zahlen des türkischen Justizministeriums wurden seit 2016 mehr als 126.000 Menschen wegen angeblicher Gülen-Verbindungen verurteilt; über 11.000 sitzen derzeit im Gefängnis. Gegen weitere 24.000 laufen Verfahren, während rund 58.000 Personen weiterhin unter Ermittlungen stehen. Tausende sahen sich gezwungen, das Land zu verlassen.

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