Die türkischen Behörden haben im Rahmen einer großangelegten Korruptionsermittlung die Kontrolle über 121 Unternehmen von Can Holding übernommen, darunter die Fernsehsender Habertürk, Show TV und Bloomberg HT sowie die İstanbul Bilgi Universität.
Ermittlungen wegen Betrugs und Geldwäsche
Die Staatsanwaltschaft in Küçükçekmece ermittelt gegen Can Holding wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Schmuggels, Betrugs und Geldwäsche. Zehn Manager, darunter hochrangige Führungskräfte, sollen festgenommen werden.
Die Unternehmen wurden unter die Verwaltung des staatlichen Treuhandfonds TMSF gestellt. Dieser bestätigte laufende Durchsuchungen und kündigte an, den Betrieb – insbesondere im Bildungsbereich – ohne Unterbrechung fortzuführen. Laut Akten wurde das Verfahren gegen Can Holding bereits 2022 eröffnet.
Teil einer breiteren Enteignungswelle
Die Übernahme reiht sich in eine Serie hochkarätiger Unternehmensbeschlagnahmungen in der Türkei ein. Seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 hat der Staat Hunderte Firmen unter Zwangsverwaltung gestellt – offiziell wegen angeblicher Verbindungen zu kriminellen Netzwerken oder Terrorismusfinanzierung. Besonders häufig waren Unternehmen mit Bezug zur Gülen-Bewegung betroffen.
Kritiker werfen der Regierung vor, diese Maßnahmen als Instrument einzusetzen, um politische Gegner zu bestrafen und unabhängige Medien zum Schweigen zu bringen. Nach Schätzungen des Institute for Diplomacy and Economy wurden seit 2016 Vermögenswerte im Wert von rund 50 Milliarden US-Dollar von mehr als 1,5 Millionen Personen beschlagnahmt – ein Ausmaß, das nach Ansicht von Experten möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt.
Politische Dimension
Neben Gülen-nahen Firmen geraten zunehmend auch oppositionelle Akteure ins Visier. So wurde im März ein Bauunternehmen des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu (CHP) unter staatliche Kontrolle gestellt, nachdem er selbst festgenommen worden war.
Rechtswissenschaftler und Beobachter warnen, dass der massenhafte Einsatz von Zwangsverwaltungen die Eigentumsrechte aushöhlt, das Investitionsklima schwächt und gleichzeitig die Meinungs- und Medienfreiheit weiter einschränkt.
Hintergrund zu Can Holding
Das von Zamanhan Can gegründete Unternehmen geht auf ein Handelsgeschäft aus dem Jahr 1972 zurück und wurde 1986 als Holding konsolidiert. Seit 1990 mit Sitz in Istanbul, wuchs der Konzern zu einer der vielseitigsten Unternehmensgruppen der Türkei heran – mit Aktivitäten in Bildung, Energie, Elektronik, Technologie, Logistik, Gesundheitswesen und Medien. Im April 2025 übernahm Can Holding die vollständige Kontrolle über Habertürk TV, Show TV, Bloomberg HT und HT Spor von Ciner Holding.
Mit der aktuellen Beschlagnahmung steht einer der größten Mischkonzerne des Landes nun unter staatlicher Verwaltung – mit möglichen tiefgreifenden Folgen für die Medien-, Bildungs- und Energiesektoren der Türkei.

No comments