Die Türkei rangiert laut einem neuen Bericht der Media Freedom Rapid Response (MFRR) im ersten Halbjahr 2025 an dritter Stelle der EU-Beitrittskandidaten mit den meisten Verstößen gegen die Pressefreiheit. Insgesamt wurden 64 Vorfälle dokumentiert, die mindestens 157 Journalist:innen und Medien betrafen, berichtete das Stockholm Center for Freedom.
Fast die Hälfte der Verstöße (48,4 Prozent) ging von Gerichten und Justizbehörden aus, gefolgt von Polizei und Sicherheitskräften (32,8 Prozent). In knapp 60 Prozent der Fälle handelte es sich um Festnahmen, Inhaftierungen oder Haftstrafen. Bis Juli saßen 17 Journalist:innen in türkischen Gefängnissen. Mindestens 15 wurden verurteilt – meist wegen „Präsidentenbeleidigung“, „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ oder „Verstoß gegen das Versammlungsgesetz“.
Repression nach der Festnahme von İmamoğlu
Besonders stark nahm der Druck nach der Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu am 19. März zu. Ihm wurden Korruption und Terrorvorwürfe gemacht – ein Schritt, den viele als politisch motiviert bezeichneten. Massendemonstrationen folgten, und die Behörden gingen mit Gewalt nicht nur gegen Protestierende, sondern auch gegen Medienschaffende vor.
Allein im Zusammenhang mit den Protesten wurden 19 Verstöße dokumentiert, darunter Festnahmen, Polizeigewalt und Inhaftierungen. Am 21. März griff die Polizei im Istanbuler Stadtteil Saraçhane mindestens neun Reporter:innen mit Tränengas, Gummigeschossen und Pfefferspray an – trotz ihrer Presseausweise. Zwei Tage später wurden weitere Journalist:innen verletzt, darunter BirGün-Reporterinnen Ebru Çelik und Deniz Güngör.
Zensur und RTÜK-Druck
Die Behörden schränkten außerdem soziale Medien ein, um die öffentliche Empörung einzudämmen. Die Rundfunkaufsicht RTÜK belegte mehrere regierungskritische Sender mit hohen Geldstrafen und drohte, Lizenzen zu entziehen. RTÜK-Chef kündigte am 19. März an, dass Fernsehsender ausschließlich offizielle Regierungsverlautbarungen senden dürften und keine Protestaufrufe zeigen sollten.
Internationale Kritik
Die MFRR, die seit 2020 von der Europäischen Kommission mitfinanziert wird, warnte in ihrem Bericht vor einem weiteren Abbau der Pressefreiheit in der Türkei. Die Institutionen des Staates spielten eine zentrale Rolle bei der Unterdrückung unabhängiger Berichterstattung, insbesondere in einer der turbulentesten politischen Phasen des Landes.
Im World Press Freedom Index 2025 von Reporter ohne Grenzen (RSF) liegt die Türkei weltweit nur auf Platz 159 von 180 und bleibt damit eines der Länder mit den meisten inhaftierten Journalist:innen.
                                    
                                        
        
        
                
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