Der Fall Rojin Kabaiş: Gewalt gegen Frauen, Zensur und der Kampf um Aufklärung in der Türkei

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Rojin Kabaiş, eine 21-jährige Studentin der Yüzüncü Yıl Universität in der osttürkischen Provinz Van, war am 27. September 2024 nach dem Verlassen ihres Wohnheims verschwunden. Ihre Leiche wurde 18 Tage später am Ufer des Van-Sees gefunden – rund 18 Kilometer von dem Ort entfernt, an dem sie zuletzt gesehen worden war.

Der erste Autopsiebericht nannte Erstickung als Todesursache und identifizierte zwei männliche DNA-Spuren an ihrem Körper. Ein zehn Monate später veröffentlichter forensischer Nachbericht bestätigte, dass sich die DNA-Spuren an der Brust und im Vaginalbereich der jungen Frau befanden – ein Befund, der den Verdacht auf sexuelle Gewalt weiter verstärkte.

Ermittlungen gegen Journalist:innen und Zensur von Inhalten

Mit zunehmendem öffentlichen Druck erklärte die Gewerkschaft DİSK Basın-İş, die Medienschaffende in der Türkei vertritt, dass derzeit fünf Journalist:innen Ermittlungen ausgesetzt seien oder ihre Social-Media-Konten blockiert wurden, weil sie über den Fall berichtet oder ihn kommentiert hätten.

Unter ihnen befinden sich Öznur Değer, Nachrichtenredakteurin der pro-kurdischen Agentur JINNEWS, sowie Dilan Babat, die beschuldigt werden, durch einen Bericht vom 21. Oktober „irreführende Informationen verbreitet“ zu haben. Der Zugang zu einem Artikel auf der Website der Amed Times wurde ebenfalls gesperrt. Die X-Accounts (ehemals Twitter) der Journalist:innen Kadir Cesur und Ruşen Takva wurden suspendiert, während Beiträge von Adnan Bilen blockiert wurden.

„Diese Maßnahmen richten sich nicht nur gegen Journalist:innen, sondern auch gegen das Recht der Öffentlichkeit auf Information“, erklärte DİSK Basın-İş in einer Stellungnahme.

„Trotz aller Repressionen stehen wir hinter den Kolleg:innen, die unermüdlich versuchen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Journalismus ist kein Verbrechen.“

Universitätsproteste und Zensur im Namen der „öffentlichen Ordnung“

Die türkische Organisation İfade Özgürlüğü Derneği (İFÖD) berichtete, dass der Zugang zu Artikeln über die Studentenproteste an der Yüzüncü Yıl Universität in Van blockiert wurde. Dort fordern Studierende eine umfassende Aufklärung von Kabaiş’ Tod.

Die Sperrung erfolgte auf Antrag der Universitätsleitung durch den Friedensstrafrichter Van 2, der sich auf „nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung“ berief.

Gewalt gegen Frauen – ein strukturelles Problem

Gewalt gegen Frauen bleibt in der Türkei ein chronisches gesellschaftliches Problem. Nach Angaben der Frauenrechtsorganisation Kadın Cinayetlerini Durduracağız Platformu (KCDP) wurden allein im Jahr 2024 mindestens 394 Frauen von Männern getötet. Im September desselben Jahres kamen 20 Frauen durch Männer ums Leben, während 22 weitere unter ungeklärten Umständen starben.

Pressefreiheit unter Druck

Laut der Initiative Expression Interrupted sitzen derzeit 28 Journalist:innen in der Türkei im Gefängnis. Die Lage der Medienfreiheit im Land verschlechtert sich weiter: In der Weltrangliste der Pressefreiheit 2025 von Reporter ohne Grenzen (RSF) belegt die Türkei Platz 159 von 180 Staaten.

 

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