Die Regierung von Montenegro hat überraschend beschlossen, für türkische Staatsbürger eine vorübergehende Visapflicht bei der Einreise einzuführen. Nach der Entscheidung kam es bei mehreren Reiseveranstaltern zu massiven Stornierungen und Programmänderungen. Viele Anbieter richten sich nun wieder auf visumfreie Balkanrouten aus.
Bislang galt Montenegro als eines der beliebtesten Reiseziele für Türkinnen und Türken ohne Visumspflicht. Doch mit Beginn des Monats November ist diese Regelung aufgehoben: Für die Einreise müssen nun Termine beim Konsulat vereinbart und Visa beantragt werden.
Mehrere Tourismusunternehmen bestätigten gegenüber NTV, dass geplante Montenegro-Reisen storniert oder angepasst werden mussten.
Der Geschäftsführer eines Reiseunternehmens, Orhan İşcil, erklärte, dass betroffene Passagiere entweder Rückerstattungen erhalten oder ihre Reisedaten kostenfrei ändern können.
Er betonte zudem, dass die bisherige Küstenroute nicht mehr befahren werde, da der Abschnitt durch Montenegro entfalle. „Dadurch fallen nun auch die Etappen über Sarajevo, Serbien, Kosovo, Nordmazedonien und die albanische Adriaküste weg“, so İşcil.
Hintergrund: Gewalteskalation in Podgorica
Der Entscheidung ging ein Gewaltvorfall in der Hauptstadt Podgorica voraus. Nach einer Messerattacke, bei der zwei Türken vorübergehend festgenommen worden waren, kam es am Wochenende zu Angriffen auf Geschäfte und Fahrzeuge türkischer Staatsbürger.
In den sozialen Medien hatten nationalistische Gruppen zuvor zu Aktionen gegen Türken aufgerufen. Nach den Ausschreitungen kündigte Premierminister Milojko Spajić an, dass die Visafreiheit für Türken vorübergehend ausgesetzt werde.
Festgenommene Türken wieder freigelassen
Mittlerweile stellte sich heraus, dass die beiden festgenommenen Türken unschuldig sind.
Das Hohe Gericht von Podgorica erklärte, dass gegen die Männer kein hinreichender Tatverdacht bestehe. Videoaufnahmen hätten gezeigt, dass sich die Verdächtigen zum Zeitpunkt der Tat an anderen Orten aufhielten.
In der Stellungnahme des Gerichts hieß es:
„Die Aussagen der Angeklagten haben sich als zutreffend erwiesen. Sie befanden sich während des Vorfalls in ihren Wohnungen, und es besteht kein begründeter Verdacht mehr gegen sie.“
Daher sei die Untersuchungshaft aufgehoben worden – nicht wegen einer Neubewertung der Tat, sondern weil kein ausreichender Beweis für eine versuchte Tötung vorliege.
Spannungen halten an
Trotz der Entlassung bleibt die Lage in Montenegro angespannt. Die Polizei fand nach eigenen Angaben Baseballschläger, die bei geplanten Angriffen verwendet werden sollten. Das Parlament in Podgorica kam zu einer Sondersitzung zusammen, um die Eskalation zu beraten.
Nationalistische Parolen wie „Türken raus“ kursieren weiterhin in sozialen Netzwerken, während offizielle Stellen betonen, die Maßnahmen dienten lediglich der „Sicherstellung der öffentlichen Ordnung“.
Tourismusverbände hoffen nun, dass die Visapflicht nur vorübergehend bleibt – andernfalls droht Montenegro, einen großen Teil seiner türkischen Besucher zu verlieren.

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