Merkel: Scharfe Kritik an Merz

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BERLIN – BOLD

Die deutsche Christlich Demokratische Union (CDU), eine der führenden konservativen Parteien Deutschlands, hat mit ihrem jüngsten Vorgehen für Aufsehen gesorgt: Erstmals in ihrer Geschichte brachte die Partei gemeinsam mit der rechtspopulistischen AfD (Alternative für Deutschland) einen Antrag im Bundestag durch, der einen drastischen Kurs in der Migrationspolitik fordert. Im Anschluss daran äußerte sich die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit scharfer Kritik an CDU-Chef und Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2025, Friedrich Merz. Merkel betonte, dass das Vorgehen der CDU nicht mit der staatspolitischen Verantwortung der Partei vereinbar sei.

Der von der CDU eingebrachte und mit AfD-Stimmen verabschiedete Antrag sieht grundlegende Verschärfungen in der Migrationspolitik vor. Die wichtigsten Punkte sind:

– Zurückweisung an den Grenzen: Alle Asylsuchenden, die an der deutschen Grenze ankommen, sollen konsequent abgewiesen werden.
– Dauerhafte Grenzkontrollen: An sämtlichen Grenzen Deutschlands zu den Nachbarländern sollen unbefristete und durchgehende Kontrollen eingeführt werden.
– Inhaftierung nicht abschiebbarer Migranten: Personen, die weder abgeschoben werden können noch freiwillig ausreisen, sollen so lange in speziellen Einrichtungen festgehalten werden, bis eine Ausreise oder Abschiebung möglich ist.

Obwohl der Antrag im Bundestag eine Mehrheit fand, handelt es sich nicht um einen bindenden Gesetzentwurf, sondern um einen Beschluss mit symbolischer Tragweite.
Eine direkte gesetzgeberische Verpflichtung entsteht dadurch nicht. Dennoch hat dieser Vorgang eine erhebliche Signalwirkung – insbesondere für Wählerinnen und Wähler.

Merkel: „Das ignoriert die staatspolitische Verantwortung“

Angela Merkel wirft Merz vor, gegen das zu verstoßen, was er noch im November 2024 selbst verkündet hatte. Damals versicherte Merz, dass die CDU „niemals gemeinsam mit der AfD abstimmen“ werde und nur mit SPD und Grünen als Mitte-Parteien Kompromisse anstrebe. Merkel kommentierte dies:

„Diese Haltung habe ich damals voll unterstützt. Doch nun zeigt sich, dass die Parteiführung nicht mehr zu ihrem eigenen Wort steht.“

Durch diese Kritik wird deutlich, wie tief der Riss in der CDU geworden ist. Jahrelang hatte man sich von der AfD distanziert und deren Positionen als unvereinbar mit christdemokratischen Grundsätzen bezeichnet. Die aktuelle Entwicklung lässt jedoch Zweifel daran aufkommen, ob diese Abgrenzung noch Bestand hat.

Scharfe Kritik von Koalitionsparteien und Opposition

Die Ampel-Parteien SPD und Grüne sowie die Linke lehnten den Antrag geschlossen ab und verwiesen auf mögliche Verstöße gegen deutsches Grundgesetz und EU-Recht.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisierte den Schritt als „Einladung an die AfD“, um verfassungsrechtlich fragwürdige Beschlüsse zu fassen.

Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende der Grünen, äußerte sich ebenfalls deutlich: „Friedrich Merz hat in dieser Woche bewiesen, dass er nicht geeignet ist, Bundeskanzler zu werden.“

,,Welcome to the Club“: Orbáns Reaktion als Zeichen für Europas Rechtsruck?

Auch auf internationaler Bühne blieb die Kooperation zwischen CDU und AfD nicht ohne Echo. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. reagierte auf X (ehemals Twitter) mit den Worten „Welcome to the Club!“ (Willkommen im Klub!).

Die Sozialanthropologin Yasemin Aydın sieht in diesem kurzen Statement eine vielschichtige Symbolik:

„Damit deutet Orbán an, dass Deutschland nun ebenfalls einen Kurs einschlägt, der dem seiner eigenen, national-konservativen Regierung ähnelt. Aus seiner Sicht ist das ein Triumph für alle rechtskonservativen und rechtspopulistischen Bewegungen in Europa.“

Orbán hatte zuvor bereits den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz gelobt, als dieser strengere Grenzkontrollen in Aussicht stellte. Ungarns Regierungschef ist bekannt für seine harte Linie in der Migrationspolitik und seine engen Beziehungen zu autoritär regierten Staaten. Aydın betont:

,,Orbáns ‚Club‘ besteht im Wesentlichen aus Politikern, die ein eher autoritäres oder rechtspopulistisches Staatsverständnis pflegen. Er unterhält enge Kontakte zu Regimen wie dem von Belarus’ Präsident Lukaschenko oder verfolgt trotz EU-Sanktionen eine enge Partnerschaft mit Wladimir Putin. Auch Donald Trump unterstützt er offen.“

Öffnet die CDU dem Rechtspopulismus weiter Tür und Tor?

Die jüngste Abstimmung könnte nach Einschätzung von Sozialanthropologin Yasemin Aydın weitreichende Folgen haben. Obwohl der Antrag rechtlich nicht bindend ist, sei er „ein bedeutendes politisches Symbol“, das die Grenzen für eine Zusammenarbeit mit extremen Kräften verschieben könnte:

„Solche Beschlüsse können die politische Kultur nachhaltig verändern. Wenn eine etablierte Volkspartei wie die CDU in Kauf nimmt, auf AfD-Stimmen angewiesen zu sein, steigert das die politische Legitimation einer rechtspopulistischen Partei und kann sie weiter in der Mitte der Gesellschaft verankern.“

Bislang hatte sich die CDU stets von der AfD distanziert. Mit diesem Schritt scheint allerdings eine rote Linie überschritten zu sein. Aydın befürchtet, dass dies nicht nur den innenpolitischen Diskurs beeinflussen, sondern auch europaweit zur weiteren Normalisierung rechtspopulistischer Positionen führen könnte.

Steht Deutschlands politisches Gleichgewicht vor einer Zeitenwende?

Angela Merkels deutliche Worte gegenüber Friedrich Merz machen klar, wie tief die Gräben innerhalb der CDU verlaufen. Neben der parteiinternen Debatte steht jedoch auch die Frage im Raum, ob diese strategische Wende die Stellung Deutschlands in Europa verändern wird.

Viktor Orbáns Reaktion „Welcome to the Club!“ mag kurz sein, doch sie birgt eine klare Botschaft: Deutschland als größter Mitgliedstaat der EU bewegt sich – zumindest rhetorisch – in eine Richtung, die bisher nur von Ländern wie Ungarn, Polen oder anderen rechtskonservativen Regierungen eingeschlagen wurde.

„Gesetze können rückgängig gemacht werden, aber wenn politische Normen einmal aufgeweicht sind, ist es äußerst schwierig, sie wieder zu stärken“, fasst Yasemin Aydın zusammen.

Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob die CDU wirklich einen Kurswechsel vollzieht oder ob es sich – wie manche Parteimitglieder behaupten – lediglich um einen ,,politischen Betriebsunfall“ in der parlamentarischen Praxis handelt. Sicher ist, dass die Debatte um Migration, Sicherheit und staatspolitische Verantwortung in Deutschland weiter an Schärfe zunehmen wird – und damit auch die Frage, wie die CDU ihr Verhältnis zur AfD künftig gestalten will.

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