In Istanbul wurde ein 20-jähriger Mann festgenommen, nachdem er einen regierungskritischen Slogan verbreitet hatte. Obwohl er zunächst unter Auflagen wie Hausarrest und Ausreiseverbot freigelassen worden war, wurde er nun wegen Fluchtgefahr erneut inhaftiert.
Der Vorfall ereignete sich, als eine Gruppe junger Menschen auf der Straße einen kritischen Spruch gegen den Präsidenten rief. Gegen sie sowie gegen die Person, die ein entsprechendes Video verbreitete, wurde ein Verfahren wegen „Beleidigung des Präsidenten“ eingeleitet. Nach ihrer Festnahme wurden sie zunächst in der Antiterrorabteilung der Polizei vernommen und anschließend der Staatsanwaltschaft vorgeführt. Diese beantragte Untersuchungshaft wegen „Beleidigung des Präsidenten“ sowie wegen „öffentlicher Anstiftung zu Straftaten“.
Das zuständige Gericht entschied jedoch zunächst auf Freilassung unter strengen Auflagen, darunter Hausarrest und ein Verbot, das Land zu verlassen.
Nach neuen Informationen wurde der 20-Jährige, einer der Freigelassenen, gestern Abend erneut festgenommen und ins Polizeipräsidium gebracht. Nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wurde er erneut der Staatsanwaltschaft überstellt. Diese beantragte beim zuständigen Gericht seine Inhaftierung wegen „öffentlicher Anstiftung zu Straftaten“.
Vor Gericht erklärte der junge Mann, er habe bereits zuvor ausgesagt, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen und bat um seine Freilassung.
Zunächst freigelassen, dann wieder festgenommen
Die Verteidiger des Beschuldigten verwiesen auf die Verfassung und die Strafprozessordnung. Sie betonten:
• Rechtswidrig erlangte Beweise dürften nicht verwendet werden, da „die Frucht des vergifteten Baumes“ ebenfalls vergiftet sei.
• Die gestrige Entscheidung zur Freilassung sei rechtmäßig gewesen. Eine erneute Inhaftierung unter Berufung auf angeblich neue Beweise stelle einen Umgehungsversuch der Rechtsordnung dar.
• Ihr Mandant könne nicht für die Aktivitäten und Beiträge Dritter in sozialen Netzwerken verantwortlich gemacht werden.
• Es gebe keine eindeutigen Beweise, dass die ihm zugeordneten Internetkonten tatsächlich ihm gehörten. Zudem habe er selbst bestritten, der Besitzer dieser Konten zu sein.
• Eine Nachricht, die am Tag eines schweren Erdbebens verbreitet worden war, diente laut Verteidigung nicht der Anstiftung zu Straftaten.
Die Anwälte forderten die Freilassung oder, falls das Gericht anderer Ansicht sei, die Verhängung milderer Maßnahmen.
Gericht: Fluchtgefahr besteht
Das Gericht entschied jedoch auf Inhaftierung und begründete dies damit, dass konkrete Hinweise auf eine mögliche Flucht des Beschuldigten vorlägen. Zudem gebe es ausreichende Anhaltspunkte für die Begehung der vorgeworfenen Taten.
Die ursprünglich angeordnete gerichtliche Kontrolle sei nach einer Überprüfung aufgehoben worden. Angesichts der Schwere der Straftaten und des zu erwartenden Strafmaßes sei das Risiko einer Flucht erheblich. Daher sei die Untersuchungshaft verhältnismäßig und notwendig.
Das Gericht stellte zudem fest, dass mildere Maßnahmen wie Auflagen nicht ausreichen würden und keine rechtlichen Hindernisse gegen eine Inhaftierung bestünden. Die Entscheidung zur Inhaftierung stützt sich auf die entsprechenden Regelungen der Strafprozessordnung.
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