Die türkische Akademikerin und Journalistin Çiğdem Bayraktar Ör ist am Freitag von einem Istanbuler Gericht verhaftet worden, nachdem sie am Mittwoch wegen eines Beitrags in sozialen Medien festgenommen wurde. Der Vorwurf: „Beleidigung des Präsidenten“ sowie „Beleidigung eines Amtsträgers“. Dies berichtete die Nachrichtenwebsite Turkish Minute und Velev.
Die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft hatte nach einem entsprechenden Beitrag eine Untersuchung gegen Ör eingeleitet, woraufhin sie von der Polizei zur Vernehmung festgenommen wurde. Offizielle Stellen machten keine Angaben über den genauen Inhalt des Social-Media-Beitrags. Kurz vor ihrer Festnahme hatte sie jedoch auf der Plattform X einen ausführlichen Beitrag veröffentlicht, in dem sie die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) und deren Führung scharf kritisierte.
Darin warf sie der Regierung Korruption, Inkompetenz und Unterdrückung vor. Ör bezeichnete Präsident Recep Tayyip Erdoğan als ungeeignet für sein Amt und seine Regierung als ungerecht und verantwortungslos. Zudem kritisierte sie Minister, die sich ihrer Meinung nach der Verantwortung für Katastrophen, Sicherheitsprobleme und wirtschaftliches Missmanagement entzögen. Auch Politiker, Medienvertreter und Bürokraten, die die Regierung unterstützten, nahm sie ins Visier. Sie erklärte, Kritiker würden sich nicht zum Schweigen bringen lassen, und warnte, dass autoritäre Herrschaft letztlich ihr Ende finden werde.
Die Türkei nutzt ihre strengen Gesetze gegen Präsidentenbeleidigung immer wieder, um gegen Journalisten, Akademiker und Oppositionelle vorzugehen. Dies sorgt regelmäßig für Kritik von Menschenrechtsorganisationen, die eine Einschränkung der Meinungsfreiheit beklagen.
Laut Daten des türkischen Justizministeriums, die vom Stockholm Center for Freedom veröffentlicht wurden, standen allein im Jahr 2023 insgesamt 6.879 Personen wegen angeblicher Beleidigung Erdoğans oder seiner Regierung vor Gericht. Von ihnen wurden 1.602 verurteilt, 1.982 erhielten eine Bewährungsstrafe und 1.774 wurden freigesprochen.
Diese Verfahren basieren auf den umstrittenen Artikeln 299 und 301 des türkischen Strafgesetzbuches. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass diese Paragrafen gezielt eingesetzt werden, um Kritiker mundtot zu machen und die Meinungsfreiheit in der Türkei weiter einzuschränken.
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