Zwei Jahre nach dem verheerenden Erdbeben: Türkei gedenkt der Opfer mit Trauer und Wut

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Mit Trauer und Zorn haben die Menschen in der Türkei am Donnerstag der Opfer des verheerenden Erdbebens gedacht, das vor zwei Jahren den Südosten des Landes erschütterte, berichtete die Nachrichtenagentur AFP. In zahlreichen betroffenen Städten versammelten sich Tausende, um der mehr als 53.000 Todesopfer in der Türkei zu gedenken. In Adiyaman und Antakya hielten Überlebende und Angehörige von Opfern am frühen Morgen Lichter in die Höhe.

Am zweiten Jahrestag der Katastrophe kamen viele Menschen um 04.17 Uhr Ortszeit zusammen – genau zu dieser Uhrzeit hatte das Beben der Stärke 7,8 am 6. Februar 2023 die Türkei und den Nordwesten Syriens erschüttert.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan sprach in Adiyaman bei einer Gedenkveranstaltung und erinnerte an die „kostbaren Erinnerungen“ an die mehr als 53.700 Erdbebenopfer in der Türkei, zu denen rund 6000 weitere Tote in Syrien hinzukamen. Damals stürzten fast 40.000 Gebäude ein, 200.000 weitere wurden beschädigt.

In Antakya nahm die 25-jährige Überlebende Emine Albayrak an einer Gedenkfeier teil. Die Stadt war besonders schwer getroffen worden, rund 90 Prozent der Gebäude wurden zerstört. „Obwohl zwei Jahre vergangen sind, tut es immer noch weh. Es fühlt sich noch immer so an wie am ersten Tag“, sagte sie der Nachrichtenagentur AFP.

Auch die 18-jährige Hümeysa Bagriyanik äußerte sich betroffen: „Es ist zwei Jahre her, aber es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen.“ Zwar müsse das Leben weitergehen, doch sie fühle sich „fremd in meiner eigenen Stadt. Sie ist dem Erdboden gleichgemacht, und ich erkenne keine Straße wieder.“

Zum Gedenken warfen viele Teilnehmer beim Überqueren einer Brücke über den Fluss Orontes rote Nelken ins Wasser. Neben der Trauer über die Katastrophe kam auch Wut zum Ausdruck. Auf einem Spruchband stand: „Wir werden nicht vergessen, wir werden nicht vergeben. Wir werden sie zur Rechenschaft ziehen!“

Der Einsturz unzähliger Gebäude in einer der erdbebengefährdetsten Regionen der Welt hatte den Fokus auf die Verantwortung korrupter Bauunternehmer und Behörden gelenkt, die unsichere Projekte genehmigten. „Das war kein Erdbeben, das war ein Massaker“, riefen einige Teilnehmer.

Sicherheitskräfte errichteten Barrikaden, um bestimmte Gebiete abzusperren. Eine Lokalzeitung berichtete von Zusammenstößen mit der Polizei, bei denen drei Menschen festgenommen worden seien.

Präsident Erdoğan hatte das Erdbeben als „Jahrhundertkatastrophe“ bezeichnet. Fast zwei Millionen Menschen wurden obdachlos, von denen zwei Jahre später noch immer rund 670.000 in Containerunterkünften leben.

„Wir werden unsere Wiederaufbau- und Sanierungsbemühungen mit harter Arbeit, Schweiß, Geduld und eisernem Willen fortführen, bis unsere Städte wieder auf den Beinen sind“, sagte Erdoğan bei der Gedenkfeier. Er versprach, dass bis Ende des Jahres kein Bürger mehr ohne Zuhause oder Arbeitsplatz sein werde. Bis dahin sollen insgesamt 453.000 neue Wohnungen errichtet sein.

Unmittelbar nach dem Erdbeben, das sich im Frühjahr 2023 und damit mitten im Präsidentschaftswahlkampf ereignete, hatte Erdoğan zugesagt, binnen eines Jahres über 300.000 Wohnungen wieder aufzubauen. Bislang wurden mehr als 200.000 neue Wohneinheiten fertiggestellt.

Am Mittwoch kritisierte Özgür Özel, der Vorsitzende der größten Oppositionspartei CHP, in Adiyaman die „gebrochenen Versprechen“ Erdoğans. Zudem verwies er auf die mehr als 6000 Erdbeben, die sich in den vergangenen Tagen in der Ägäis nahe der griechischen Insel Santorin ereignet hatten. Diese Beben schüren Ängste vor einem schweren Erdbeben im Südwesten der Türkei.

Unterdessen warnte der türkische Minister für Städtebau, Murat Kurum, am Dienstag vor den möglichen Folgen eines Erdbebens in Istanbul. Die Millionenmetropole ist weiterhin schlecht auf ein solches Ereignis vorbereitet. Beim Erdbeben am Marmarameer im Jahr 1999 starben 17.000 Menschen, darunter etwa 1000 in Istanbul. Noch immer seien zahlreiche Gebäude nicht erdbebensicher. „Istanbul wird nicht die Kraft haben, einem weiteren großen Erdbeben standzuhalten“, sagte der Minister. Er warnte, dass Millionen Menschen in rund 600.000 gefährdeten Wohnungen leben.

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