Biographie
Alice Weidel, geboren 1979 in Gütersloh, hat sich in wenigen Jahren zu einer der prägendsten Figuren der Alternative für Deutschland (AfD) entwickelt. Nach einem Studium der Volks- und Betriebswirtschaftslehre promovierte sie 2011 an der Universität Bayreuth in Volkswirtschaftslehre. Ihre berufliche Laufbahn führte sie in die Finanzwelt, wo sie für Goldman Sachs sowie als Beraterin international tätiger Unternehmen arbeitete. Auslandserfahrungen in Asien, Europa und den USA prägten ihren wirtschaftspolitischen Blick. Weidel lebt mit ihrer Lebenspartnerin und zwei Kindern in der Schweiz.
Aufstieg in der AfD
2013 trat Weidel der AfD bei und stieg rasch in Führungspositionen auf. Sie galt zunächst als das bürgerliche Gesicht der Partei, doch ihre Aussagen zu Migration, Nationalismus und Geschichtspolitik sorgten zunehmend für Kontroversen. Trotz ihrer marktwirtschaftlichen Expertise scheut sie nicht davor zurück, radikale Begriffe wie „Schuldkult“ im Zusammenhang mit der NS-Vergangenheit zu verwenden.
Im Bundestag ist Weidel seit 2017 als Fraktionsvorsitzende ihrer Partei aktiv. Gemeinsam mit Alexander Gauland war sie in den vergangenen Legislaturperioden Teil der AfD-Spitzenteams für die Bundestagswahl. Interne Konflikte innerhalb der AfD hat sie überstanden und ihre Position im Bundesvorstand weiter gefestigt.
Radikalisierung der AfD und juristische Auseinandersetzungen
Die AfD wurde 2013 zunächst als eurokritische Protestpartei gegründet. Im Laufe der Jahre radikalisierte sich die Partei jedoch zunehmend, insbesondere durch den Einfluss des völkisch-nationalistischen „Flügels“. Infolgedessen geriet die AfD in das Visier des Verfassungsschutzes. Mehrere Landesverbände – darunter Thüringen, Sachsen-Anhalt und jüngst Sachsen – werden mittlerweile offiziell als „gesichert rechtsextremistisch“ beobachtet.
Neben den juristischen Verfahren sorgten auch Enthüllungen über geheime Treffen hochrangiger AfD-Politiker mit Neonazis und Unternehmern für Aufsehen. Bei einem Treffen in der Nähe von Potsdam wurde über ein sogenanntes „Remigrationskonzept“ diskutiert, das die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland vorsieht. Ein weiteres Treffen in der Schweiz im Dezember 2024 verstärkte die öffentliche Debatte über Verbindungen der AfD zu rechtsextremen Kreisen und führte zu Forderungen nach einem Parteiverbot.
Nominierung zur Kanzlerkandidatin und programmatische Ziele
Auf dem Bundesparteitag in Riesa wurde Weidel von den Delegierten einstimmig zur Kanzlerkandidatin für die nächste Bundestagswahl gewählt. Ihr Ko-Vorsitzender Tino Chrupalla erklärte sie kurzerhand zur „zukünftigen Kanzlerin“. Die AfD setzt mit dieser erstmaligen Kanzlerkandidatur in ihrer Parteigeschichte ein deutliches Signal: Sie strebt Regierungsverantwortung an.
In ihrer Rede beim Parteitag kündigte Weidel an, im Falle einer Regierungsübernahme wieder russisches Gas über die Nordstream-Pipeline zu beziehen, funktionsfähige Kernkraftwerke ans Netz zu bringen und Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen. Gleichzeitig versprach sie, „alle Windräder niederzureißen“, die Grenzen zu schließen und „Rückführungen in großem Stil“ durchzuführen. Den umstrittenen Begriff „Remigration“ nahm sie dabei bewusst in Kauf.
Das beim Parteitag beschlossene Wahlprogramm verschärft zudem die Migrationspolitik. Flüchtlinge sollen an der Grenze in Gewahrsamszentren untergebracht, Asylverfahren ins Ausland verlagert und eine „umfassende Rückführungsoffensive“ gestartet werden. Sozialleistungen für Asylbewerber will die AfD in Sachleistungen umwandeln und Leistungen für Ausreisepflichtige auf ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ reduzieren. Auch in der Außenpolitik verfolgt die Partei einen Kurs, der Sanktionen gegen Russland ablehnt und stattdessen auf gute Beziehungen zu den USA, Russland und China setzt.
Neue Jugendorganisation und Abgrenzung zum Verfassungsschutz
Da die bisherige Jugendorganisation Junge Alternative (JA) vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wird, beschloss die AfD auf dem Parteitag in Riesa, eine neue, stärker an die Bundespartei angebundene Jugendorganisation zu gründen. Diese soll disziplinarisch enger kontrolliert werden, um künftig gegen „Fehlverhalten“ durchgreifen zu können. Dennoch bleiben Zweifel, ob diese strukturelle Neuerung einen echten Kurswechsel oder lediglich einen taktischen Schritt darstellt, um der Verfassungsschutz-Beobachtung zu entgehen.
Kritik und Ausblick
Die Einstufung mehrerer AfD-Landesverbände als rechtsextremistisch sowie die Enthüllungen über geheime Treffen mit Neonazis haben für breite Empörung gesorgt und eine intensive öffentliche Debatte über die Ziele und die gesellschaftliche Verantwortung der AfD ausgelöst. Alice Weidel sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, durch ihre Nähe zu radikalen Positionen das politische Klima weiter zu polarisieren. Während Anhänger sie für ihre klaren Worte und ihre wirtschaftliche Kompetenz schätzen, werfen Kritiker ihr vor, den Schulterschluss mit extremistischen Strömungen nicht konsequent zu vermeiden.
Trotz alledem hat sich Weidel innerhalb der AfD als unangefochtene Führungspersönlichkeit etabliert. Die Partei hofft, von steigenden Umfragewerten zu profitieren und nach der nächsten Bundestagswahl mit Weidel als Spitzenkandidatin Regierungsverantwortung zu übernehmen – auch wenn es aktuell keine andere Partei gibt, die zu einer Koalition mit der AfD bereit wäre. Ob und in welchem Ausmaß die AfD damit langfristig Erfolg haben wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Wählerinnen und Wähler auf die rechtsextremen Tendenzen, die fortdauernde Verfassungsschutz-Beobachtung und das radikale Parteiprogramm reagieren.
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