Niederländisches Außenministerium: Andauernde Verfolgung und Kollektive Bestrafung der Gülen-Bewegung Systematisch

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Mehr als acht Jahre nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Jahr 2016 setzt die türkische Regierung ihre Maßnahmen gegen mutmaßliche Mitglieder der Gülen-Bewegung unvermindert fort. Das niederländische Außenministerium hebt in seinem aktuellen Bericht zur Türkei das Ausmaß und die Beständigkeit dieser Operationen hervor und betont eine anhaltende Verfolgung, die Leben über Kontinente hinweg verändert hat. Der Bericht stellt ausdrücklich fest, dass die Verfolgung mutmaßlicher Gülen-Anhänger eine fortlaufende und systematische Anstrengung der türkischen Regierung bleibt.

Die Gülen-Bewegung, die sich auf die Lehren des islamischen Gelehrten und Denkers Fethullah Gülen stützt, und sich selbst als Hizmet-Bewegung (türkisch: Dienst) bezeichnet, wird von der türkischen Erdoğan-Regierung beschuldigt, den gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016 angeführt zu haben und ist einer massiven Hexenjagd ausgesetzt. Während Ankara die Bewegung als „terroristische Organisation“ einstuft, weist diese jede Beteiligung am Putsch entschieden zurück und wird von keinem westlichen Land als terroristisch eingestuft. Die Bewegung ist ein locker verbundenes Netzwerk von Bildungseinrichtungen, Wohltätigkeitsorganisationen und Medienunternehmen mit Millionen von Anhängern weltweit. Heute existiert sie größtenteils außerhalb der Türkei, ihre Mitglieder sind über Europa, Nordamerika und Asien verstreut—einige leben im Verborgenen, andere sehen sich in ihrer Heimat Verfolgung ausgesetzt. Laut dem Bericht hatten im Jahr 2010 schätzungsweise 8 bis 10 Millionen Menschen in der Türkei irgendeine Form von Verbindung zur Bewegung, wobei Professorin Caroline Tee schätzt, dass die Zahl der engagierten Anhänger vor 2016 zwischen 500.000 und 2 Millionen lag.

Eine zerbrochene Allianz und eine anhaltende Säuberung

Der Bericht betont, dass Gülens Bewegung einst mit der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) von Präsident Recep Tayyip Erdoğan verbündet war und eine Vision der Vereinbarkeit von Islam und Demokratie teilte. Im Laufe der Zeit nahmen jedoch die Spannungen zu und gipfelten 2013 in einem öffentlichen Bruch. Die türkische Regierung machte die Bewegung anschließend für die Organisation des Putschversuchs 2016 verantwortlich, obwohl Gülen jegliche Beteiligung eindeutig bestritt. Der Bericht führt aus, dass auf diese Anschuldigung eine umfangreiche Säuberung von Beamten, Pädagogen und Militärangehörigen folgte, die beschuldigt wurden, Mitglieder oder Sympathisanten der von der türkischen Regierung als “Fethullahistische Terrororganisation” (FETÖ) bezeichneten Gruppe zu sein.

Nach dem Putschversuch wurden über 100.000 Menschen festgenommen und mehr als 150.000 Beschäftigte des öffentlichen Sektors aus ihren Positionen entlassen. Die türkische Regierung führte umfassende rechtliche Maßnahmen gegen mutmaßliche Mitglieder der Bewegung ein und berief sich dabei auf deren Nutzung von ByLock, einer verschlüsselten Messaging-App, die vom Staat als Beweis für die Mitgliedschaft in der Bewegung angesehen wird. Der Bericht hebt hervor, dass diese App in Tausenden von Fällen als Hauptbeweis verwendet wurde, trotz ernsthafter Bedenken hinsichtlich der Legitimität solcher Anschuldigungen.

Anhaltende Festnahmen und Strafverfolgungen

Der Bericht der Niederlande stellt fest, dass die türkische Regierung trotz internationaler Verurteilungen ihre Maßnahmen gegen Personen, die sie als Gülen-Unterstützer wahrnimmt, fortsetzt. Allein im Jahr 2023 kündigte der türkische Innenminister Ali Yerlikaya groß angelegte landesweite Operationen an, die zur Festnahme von Tausenden mutmaßlicher Gülen-Unterstützer führten. Zwischen Januar und Oktober 2024 nahmen die Behörden über 1.800 Personen fest, die verdächtigt wurden, Verbindungen zur Bewegung zu haben, darunter viele ehemalige Polizeibeamte, Militärangehörige und Beamte.

Der Bericht dokumentiert, dass viele dieser Festnahmen mit der angeblichen Nutzung von ByLock und anderen Kommunikationsmethoden wie öffentlichen Telefonen in Verbindung standen—Anschuldigungen, die von Menschenrechtsgruppen als unzureichende Grundlage für Strafverfolgungen angefochten wurden. Viele Inhaftierte sehen sich mit terrorismusbezogenen Anklagen konfrontiert, obwohl es an direkten Beweisen für eine Beteiligung an gewalttätigen Handlungen mangelt, was Bedenken hinsichtlich der Verletzung rechtsstaatlicher Verfahren verstärkt.

Ein System kollektiver Bestrafung

Der Bericht beschreibt, wie die Türkei über Festnahmen hinausgeht, um umfassendere Maßnahmen der sozialen Ausgrenzung durchzusetzen. Tausende von Individuen wurden auf schwarze Listen für Beschäftigung gesetzt, ihre Namen in staatlichen Datenbanken als mutmaßliche terroristische Sympathisanten markiert. Der Bericht stellt ausdrücklich fest, dass entlassene Richter, Staatsanwälte und Lehrer nicht mehr in ihren jeweiligen Bereichen arbeiten können und in wirtschaftliche Not geraten.

Die türkische Justiz, stark vom Exekutivzweig beeinflusst, hat ebenfalls versagt, Abhilfe zu schaffen. Der Bericht der Niederlande verweist auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom September 2023, das feststellte, dass die Türkei das Recht auf ein faires Verfahren im Fall eines Lehrers verletzt hat, der hauptsächlich wegen der Nutzung von ByLock verurteilt wurde. Der Bericht stellt jedoch fest, dass türkische Gerichte solche Entscheidungen weitgehend ignoriert haben, was ein Rechtssystem weiter verfestigt, das laut Kritikern ohne unabhängige Aufsicht ist.

Die Auswirkungen auf Familien

Die Reichweite dieser Politiken erstreckt sich über die direkt Beschuldigten hinaus. Der Bericht liefert explizite Beispiele dafür, wie Verwandte von mutmaßlichen Teilnehmern der Gülen-Bewegung ebenfalls Überwachung, Verhaftung und wirtschaftlichen Härten ausgesetzt wurden. In einem bemerkenswerten Fall dokumentiert er, wie die betagte Mutter eines prominenten exilierten Geschäftsmannes offenbar als Vergeltung festgenommen wurde. Andere Familien berichteten von Schwierigkeiten beim Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, wobei einigen Kindern von beschuldigten Gülen-Anhängern Bildung oder Beschäftigungsmöglichkeiten verweigert wurden.

Auslieferungen und Entführungen: Eine globale Verfolgung

Der Bericht stellt ausdrücklich fest, dass die Bemühungen der Türkei, die Gülen-Bewegung zu unterdrücken, über ihre eigenen Landesgrenzen hinausgehen. Die Regierung hat sich an transnationaler Repression beteiligt und übt Druck auf ausländische Regierungen aus, um verdächtige Mitglieder abzuschieben oder auszuliefern. Im Oktober 2024 wurden vier von den Vereinten Nationen als Flüchtlinge anerkannte türkische Staatsbürger gewaltsam aus Kenia in die Türkei zurückgeführt, was zu scharfer Kritik von Menschenrechtsorganisationen führte. Die im Bericht zitierte Washington Post bemerkte im Dezember 2024, dass in den letzten zehn Jahren mindestens 118 Personen unter oft undurchsichtigen rechtlichen Umständen entführt oder in die Türkei ausgeliefert wurden.

Dieses Muster der Zwangsrückführungen ist, so der Bericht, Teil einer umfassenderen Strategie Ankaras, um die Opposition im Ausland zu unterdrücken. Die türkische Regierung hat ihren diplomatischen und wirtschaftlichen Einfluss, insbesondere in Afrika und Zentralasien, erfolgreich genutzt, um die Überstellung mutmaßlicher Teilnehmer der Gülen-Bewegung zu sichern. Ende 2024 kündigte die Regierung Kirgisistans an, dass alle Gülen-verbundenen Schulen im Land an die von der Türkei unterstützte Maarif-Stiftung übergeben würden – ein Schritt, der Ankaras globales Vorgehen unterstreicht.

Der Bericht hebt Aussagen türkischer Beamter hervor, darunter Außenminister Hakan Fidan, die versprochen haben, ihre Kampagne gegen das Gülen-Netzwerk fortzusetzen – ein deutliches Signal dafür, dass die Verfolgung anhalten wird. Gleichzeitig warnen Menschenrechtsgruppen, dass Tausende von Personen weiterhin Gefahr laufen, willkürlich inhaftiert, wirtschaftlich ausgegrenzt oder zwangsweise zurückgeführt zu werden.

Im Bericht wird unterstrichen, dass für viele Mitglieder der Bewegung das Exil zu einer dauerhaften Realität geworden ist. „Wir können nicht zurückgehen“, sagte ein ehemaliger Lehrer, der nun in Deutschland lebt. „Selbst wenn wir unschuldig sind, gelten wir in den Augen der Regierung auf ewig als schuldig.“

Während die Türkei zunehmend autoritärer wird, unterstreicht der Bericht, dass diejenigen, die einst mit der Gülen-Bewegung in Verbindung standen, mit wenigen Optionen dastehen – gefangen zwischen der Angst vor Verfolgung in der Heimat und der prekären Unsicherheit eines Lebens im Exil.

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