Laut der regierungsnahen Zeitung Türkiye haben seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes zur doppelten Staatsbürgerschaft im Juni 2024 nur etwa 3 Prozent der in Deutschland lebenden türkeistämmigen deutschen Staatsbürger einen Antrag gestellt, um die türkische Staatsangehörigkeit wiederzuerlangen. Die Zeitung beruft sich dabei auf Zahlen der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP).
Demnach haben von rund 550.000 Inhabern der sogenannten „Blauen Karte“ in Deutschland lediglich 18.000 Personen einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft gestellt. Die Blaue Karte wird von der Türkei an ehemalige Staatsbürger vergeben und gewährt bestimmte zivilrechtliche Vorteile wie Aufenthalts- und Erbrechte. Politische Rechte wie das Wahlrecht oder das Recht, öffentliche Ämter zu bekleiden, entfallen hingegen. Ebenso sind Inhaber nicht zum Wehrdienst verpflichtet.
In Deutschland leben rund 2,8 Millionen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund. Die große türkische Gemeinschaft in Deutschland geht auf das Anwerbeabkommen von 1961 zurück, in dessen Rahmen bis 1973 etwa 870.000 türkische Arbeitskräfte als sogenannte „Gastarbeiter“ nach Deutschland kamen. Viele von ihnen blieben dauerhaft, was tiefgreifende gesellschaftliche und demografische Veränderungen in Deutschlands größtem Einwanderungsland zur Folge hatte.
Die Reform zur doppelten Staatsbürgerschaft galt als Lösung für ein langjähriges Dilemma vieler Türkeistämmiger in Deutschland, die bisher ihre türkische Staatsangehörigkeit aufgeben mussten, um Deutsche zu werden. Doch trotz der neuen Möglichkeit, beide Staatsbürgerschaften zu behalten, ist die Zahl der Antragsteller bisher überraschend gering.
Bereits im Dezember hatte die oppositionelle türkische Zeitung Sözcü berichtet, dass laut dem CHP-Abgeordneten Utku Çakırözer in den ersten fünfeinhalb Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes nur 15.000 Anträge eingegangen seien.
Als Gründe für das geringe Interesse werden unter anderem die wachsende Fremdenfeindlichkeit und rechtspopulistische Strömungen in Deutschland genannt, die das neue Gesetz unter Druck setzen könnten. Zudem sehen sich viele Antragsteller mit finanziellen und rechtlichen Hürden konfrontiert – allen voran der Wehrdienst in der Türkei: Wer sich davon freikaufen möchte, muss derzeit 6.000 Euro (etwa 260.000 Türkische Lira) zahlen – eine erhebliche Belastung für viele Mitglieder der türkischen Diaspora.
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