Ebru Kaymak
Nach dem gescheiterten Putschversuch im Jahr 2016 leitete die Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan eine umfassende Verfolgungswelle gegen die Gülen-Bewegung ein, die er für den Umsturzversuch verantwortlich machte. Rund 150.000 Richter:innen, Lehrer:innen und Polizist:innen wurden seitdem entlassen oder suspendiert, Zehntausende inhaftiert.
Die Maßnahmen beschränkten sich jedoch nicht allein auf Personen. Auch Unternehmen und Immobilien gerieten ins Visier der Behörden. Laut dem Stockholm Center for Freedom wurden insgesamt mindestens 1.068 Firmen sowie 4.888 Immobilien beschlagnahmt. Zudem schloss die Regierung 2.274 Bildungseinrichtungen. „Insgesamt wurden 1.065 Privatschulen, 361 private Bildungseinrichtungen und 848 Studentenwohnheime geschlossen“, erklärte Bildungsminister İsmet Yılmaz vor der Haushaltskommission des türkischen Parlaments.
Jüngst entfachte ein auf Instagram veröffentlichtes Video erneut die Diskussion über beschlagnahmte Schulen und Universitäten. Darin stellte ein Nutzer die „Ankara Müzik ve Güzel Sanatlar Üniversitesi“ vor, die 2017 eröffnet wurde. Besonders die modernen Gebäude wurden hervorgehoben. Kurz darauf meldeten sich jedoch andere Nutzer zu Wort: Bei der Einrichtung handle es sich in Wirklichkeit um die frühere İpek-Universität, die 2011 von dem Unternehmer Akın İpek gegründet worden war.
Die İpek-Universität zählt ebenfalls zu den zahlreichen Bildungseinrichtungen, die von der Erdoğan-Regierung nach dem Putschversuch beschlagnahmt und dem Staat einverleibt wurden. Mittlerweile wird sie sogar als eigenes Regierungsprojekt vermarktet. Der amtierende Rektor, Prof. Dr. Erhan Özden, sagte in einer Reportage: „Eine der auffälligen Eigenschaften unserer Universität ist auch ihre architektonische Gestaltung. Wir verfügen über Gebäude, die von europäischer Architektur inspiriert sind. Dieses ästhetische Erscheinungsbild weckt sowohl bei unseren Studierenden als auch bei den Menschen, die am Campus vorbeigehen, Interesse.“
Dass die Universität jedoch ursprünglich von dem Unternehmer Akın İpek gegründet wurde, lässt sich an dessen eigenen Worten ablesen. Er beschrieb einst seine Vision für die Einrichtung so: „Wenn Sie unsere Universität betreten, werden Sie Beispiele von allen herausragenden Architekten der Geschichte sehen. Sie werden auch Beispiele aus allen bedeutenden, bekannten Städten der Welt sehen.“
Der Fall der İpek-Universität zeigt exemplarisch, wie die türkische Regierung nach dem Putschversuch beschlagnahmte Bildungseinrichtungen nicht nur unter staatliche Kontrolle brachte, sondern sie zugleich zu eigenen Prestigeprojekten umdeutete.

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