Türkei blockiert Zugang zu 454 YouTube-Videos von Grup Yorum

0

Die türkischen Behörden haben den Zugang zu 454 Videos der linken Protestband Grup Yorum auf YouTube gesperrt. Wie die Digitalrechtsplattform EngelliWeb berichtet, erfolgte die Sperrung unter Berufung auf Gründe der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung.

Die betroffenen Videos, die auf 56 verschiedenen Kanälen verbreitet und insgesamt mehr als 2 Millionen Mal aufgerufen wurden, sind in der Türkei gemäß dem Internetgesetz des Landes nicht mehr abrufbar. Auch der offizielle YouTube-Kanal der Band ist für Nutzer in der Türkei nicht mehr zugänglich.

Grup Yorum ist bekannt für ihre regierungskritischen Texte und ihr politisches Engagement. Seit Jahren ist die Band Ziel staatlicher Repression: Seit 2016 sind ihre Konzerte verboten, und zahlreiche Mitglieder wurden immer wieder verhaftet.

Die türkische Regierung wirft der Gruppe Verbindungen zur verbotenen Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP/C) vor, die von der Türkei, den USA und der EU als terroristische Organisation eingestuft wird. Die gerichtliche Anordnung zur Sperrung der Videos stützt sich auf eine Bestimmung des türkischen Rechts, die Maßnahmen gegen Inhalte erlaubt, die als Bedrohung für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung angesehen werden.

Hungerstreiks und Repression

Grup Yorum wurde 1985 in Istanbul gegründet und erlangte internationale Bekanntheit nicht nur durch ihre Musik, sondern auch durch spektakuläre Hungerstreiks von Bandmitgliedern. Zwei Mitglieder, Helin Bölek und İbrahim Gökçek, starben im Jahr 2020 infolge langer Hungerstreiks, mit denen sie gegen das Konzertverbot, gegen die Inhaftierung von Bandkollegen und gegen laufende Gerichtsverfahren protestierten. Bölek starb im April 2020, Gökçek im Mai nach 322 Tagen ohne Nahrung. Beide setzten ihren Protest auch nach der Haftentlassung fort. Hungerstreikende in der Türkei verzichten traditionell auf feste Nahrung, nehmen aber Flüssigkeit und Vitamine zu sich, um die Protestdauer zu verlängern.

Zensur und Druck auf Künstler

Die staatliche Repression gegen Grup Yorum beschränkt sich nicht nur auf Konzertverbote. Auch das Kulturzentrum der Gruppe wurde mehrfach von der Polizei gestürmt, und mehrere Mitglieder sitzen weiterhin in Haft.

Die jüngsten Video-Sperren erfolgen vor dem Hintergrund wachsender Besorgnis über die Einschränkung der Meinungsfreiheit und die Zensur im Internet in der Türkei. Menschenrechtsorganisationen werfen der Regierung regelmäßig vor, Gesetze zur nationalen Sicherheit zu nutzen, um kritische Inhalte zu unterdrücken und politisch missliebige Stimmen zum Schweigen zu bringen.

Laut einem Bericht der in Washington ansässigen Organisation Freedom House vom Oktober letzten Jahres belegt die Türkei den letzten Platz in Europa in Bezug auf Online-Freiheiten. Auf einer Skala von 0 (am wenigsten frei) bis 100 (am freiesten) erhielt die Türkei lediglich 31 Punkte und gilt damit als „nicht frei“.

Eine Stellungnahme von Grup Yorum zu den YouTube-Sperrungen liegt bislang nicht vor.

No comments