İmamoğlu-Prozess vertagt: “Das ist kein Gerichtsverfahren, sondern eine direkte Bestrafung”

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Der Prozess gegen den Bürgermeister von Istanbul Ekrem İmamoğlu, der sich wegen seiner Äußerungen über den Istanbuler Generalstaatsanwalt Akın Gürlek verantworten muss, wurde auf den 16. Juli 2025 vertagt.

Die zweite Verhandlung in dem Verfahren, in dem İmamoğlu wegen seiner Aussagen über Akın Gürlek angeklagt ist, fand am Montag, dem 16. Juni, statt. İmamoğlu und seine Rechtsanwälte nahmen an der Sitzung im Saal Nr. 2 des Strafvollzugszentrums Marmara in Silivri teil. Auch der Vorsitzende der Republikanischen Volkspartei (CHP), Özgür Özel, sowie weitere Parteimitglieder verfolgten die Verhandlung als Zuschauer.

Bis zu sieben Jahre und acht Monate Haft gefordert

Im Verfahren, in dem İmamoğlu wegen Äußerungen über Generalstaatsanwalt Gürlek und dessen Familie während einer Podiumsdiskussion unter anderem wegen „gezielten öffentlichen Diffamierung einer im Anti-Terror-Kampf eingesetzten Person“, „Beleidigung“ und „Bedrohung“ angeklagt ist, forderte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer eine Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten bis zu sieben Jahren und vier Monaten.

Zudem wird die Anwendung von Artikel 53 Absatz 1 des türkischen Strafgesetzbuchs beantragt, wonach eine Person, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, dauerhaft, befristet oder vorübergehend von der Übernahme öffentlicher Ämter – einschließlich eines Mandats in der Großen Nationalversammlung der Türkei sowie sämtlicher Beamten- und Dienstverhältnisse bei staatlichen, kommunalen oder von diesen beaufsichtigten Einrichtungen – ausgeschlossen ist.

İmamoğlu sollte aus dem Saal geführt werden

Im Anschluss begann İmamoğlu mit seiner Verteidigung. Der vorsitzende Richter unterbrach die Verhandlung für fünf Minuten. Während dieser Pause versuchte die Gendarmerie, İmamoğlu aus dem Saal zu führen. Dieser widersetzte sich mit den Worten: „Ich will nicht gehen – dann zwingt mich eben“, und setzte sich demonstrativ wieder hin.

İmamoğlu mit historischer Verteidigung in Silivri

Auszüge aus İmamoğlus Verteidigung:

“Es wird der Tag kommen, an dem diejenigen, die uns diese Tage durchleben lassen, sich vor der Justiz verantworten müssen. Ich würde mein Leben opfern für die Seelen jener Hunderttausenden Kinder. Unser Ideal ist eine Generation, vor deren kreativem Geist sich kein Hindernis mehr aufbauen kann. Eine Republik Türkei, in der alle Kinder glücklich sind, auch jene, die nicht meiner Meinung sind. Nicht eine rachsüchtige Generation, sondern eine gut ausgebildete, denkende, produktive Jugend, die auf höchstem Niveau mit der Welt konkurrieren kann – das ist unser Ziel. Deshalb setze ich meinen Kampf entschlossen fort.“

Zu Beginn seiner Verteidigung gedachte İmamoğlu des Bürgermeisters von Manisa, Ferdi Zeyrek, der am 9. Juni verstarb: „Ich konnte nicht bei ihm sein. Er hinterließ eine Lehre. Dass Hunderttausende in Trauer einen Politiker verabschieden, ist eine große Lektion – für diese Welt und für die Türkei.“

„Ich bin ein Gefangener, weil ich drei Wahlen gewonnen habe“

Weitere zentrale Passagen aus İmamoğlus Ausführungen: „Ich bin hier und ein Gefangener, weil ich dreimal gegen jene gewonnen habe, die sagen: Wer Istanbul gewinnt, gewinnt die Türkei. Deshalb bin ich im Gefängnis. Weil wir eine volksnahe Kommunalpolitik gemacht haben, die sich der Nöte von Armen, Jugendlichen, Kindern und Frauen annimmt und Lösungen schafft. Weil wir das Vertrauen unseres Volkes gewonnen haben. Weil wir Istanbul verteidigt haben. Weil wir uns gegen den Kanal, gegen Spekulationen und Plünderung gestellt haben. Weil ich bei der Vorwahl als Präsidentschaftskandidat zum ersten Mal in der Geschichte der Türkei 15,5 Millionen Stimmen erhalten habe. Deshalb bin ich hier.“

„Wir werden nicht angeklagt. Wir stehen nicht wirklich vor Gericht. Wir werden mit Verleumdungen, PR-Kampagnen, Lügen von falschen Zeugen und Beschuldigungen durch kriminell belastete Personen festgehalten. Dies ist kein Gerichtsverfahren. Es ist eine direkte Bestrafung.“

„Die Stimme unseres Volkes steht hinter mir“

„Man muss wissen: Dieses Land wird weder durch Waffengewalt noch durch Reichtum zusammengehalten. Das Einzige, was es trägt, ist Gerechtigkeit, Recht und Gesetz. Ohne Gerechtigkeit gibt es weder Investitionen noch Frieden noch Wohlstand. Ich bin in diesem Kampf nicht allein. Deshalb stehen Millionen Stimmen unseres Volkes hinter mir – das spüre ich. Ich verspreche eine bessere Zukunft und ein gerechtes System für alle Kinder. Ich werde ein Kämpfer dafür sein und stets dazu stehen.“

„Ihr werdet mich nicht aus dem Herzen des Volkes vertreiben“

„Ihr hebt mein rechtmäßig erworbenes Diplom auf, nur um einen Posten zu retten. Das Land brennt. Die Wirtschaft ist zusammengebrochen. Das Volk ist verzweifelt. Die Kinder weinen. Und dennoch seid ihr auf Rache aus. Aber wisst: Aus dem Herzen des Volkes könnt ihr mich nicht vertreiben.“

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